Klimaschutzakademie – klimaneutral ist (noch) niemand

Die Klimaschutzakademie berät und unterstützt Organisationen dabei, klimaneutral zu werden. Im Community Talk haben wir mit Marion Zöchbauer, Geschäftsführerin und Mitgründerin der Klimaschutzakademie gesprochen.

Wie ist es zur Idee der Klimaschutzakademie gekommen?
Die Idee habe ich gemeinsam mit meinem Co-Gründer Johannes Naimer-Stach geboren, das war vor einigen Jahren. Wir haben zusammen Green Tech Start-ups beraten und trainiert. Da hab ich eine Menge über Klimakrise und Klimaschutz gelernt. Aus meiner Erfahrung als Unternehmensberaterin – vor allem KMUs (Klein- und Mittelbetriebe; Anm.) – war ich der Meinung, dass die Unternehmen das Thema überhaupt nicht am Radar haben. Da haben wir gemeinsam beschlossen, das zu ändern.

Also die Hauptzielgruppe sind KMUs?
Die erste Idee war, vor allem auf KMUs zu fokussieren. Die Annahme war, dass die KMUs deutlich weniger Ressourcen haben als große Organisationen. Im Tun haben wir jetzt auch viele Anfragen von großen Organisationen bekommen. Bei dem Thema sind fast alle noch relativ am Anfang.

Welche Organisationen fragen euch da an?
Wir hatten tatsächlich österreichische Großkonzerne, große Organisationen aus dem Bankenbereich, aus dem IT-Umfeld, bis hin zu ganz kleinen Organisationen mit 30 Leuten aus der Werbebranche.

Ihr heißt ja auch ORCA evolution – wie kommt der Name?
Wir sind vor 3 Jahren zu dem Punkt gekommen, wo wir die Klimaschutzakademie als Produkt aus unserem gemeinnützigen Verein ausgegliedert und für die kommerziellen Angebote die ORCA evolution OG gegründet haben. ORCA steht für “Organisation for Rapid Climate Action”. Die Klimaschutzakademie ist die Produktmarke, die wir ja schon für den Verein hatten und behalten wollten. Den Verein betreiben wir nach wie vor, der macht nicht kommerzielle Dinge. Dort beschäftigen wir uns aktuell ganz viel mit dem Thema Greenwashing.

Als Unternehmerin eines KMUs, was könnt ihr da für mich tun?
Viele KMUs bekommen über ihre Lieferkette oder ihre Wertschöpfungskette einzelne, für sie oft unzusammenhängende Anfragen zu CSRD, EU-Taxonomie oder Ähnlichem. Wir sehen es als unsere Aufgabe, da mal wirklich Wissen und Know-how in die Organisationen zu bringen, um ein Verständnis zu geben, wo diese Anfragen herkommen und was das mit Nachhaltigkeit zu tun hat.

Warum sollte ich mich als KMU überhaupt für Nachhaltigkeit oder Green Deal interessieren?
Ohne große Veränderungen in den Geschäftsmodellen wird es nicht funktionieren. Genau dieses Business, so wie wir gewirtschaftet haben, hat zu dieser großen Problematik geführt. Alle Organisationen, die nicht bereit sind, sich darauf einzulassen, das wäre meine Hypothese, wird es nicht mehr lange geben.

Ökonomische Gründe also?
Absolut. Wenn ich ökonomisch erfolgreich bleiben und am Markt bestehen will, dann ist das unerlässlich.

Damit es einem nicht geht wie Nokia?
Ja, Nokia ist ein gutes Beispiel. Ich weiß z.B. auch von einem Unternehmen in Oberösterreich – Mittelstand, Autozulieferer – die haben Anfragen bekommen und konnten und wollten sie nicht beantworten. Die wurden ausgelistet. Man muss wissen, dass es das Lieferkettengesetz in Deutschland schon länger gibt und dass das auch greift. Ich halte es für ein sehr riskantes Spiel, sich mit dem Thema nicht zu beschäftigen.

Hat das bei dem Unternehmen zu einem Umdenken geführt?
Interessanterweise nicht. Ich habe auch aus Niederösterreich von einer Druckerei gehört. Da gab es eine Ausschreibung und dort wurden Nachhaltigkeitskriterien gefordert. Da hat der Geschäftsführer gesagt, das kann ich jetzt nicht liefern. Das kann man einmal machen, aber wenn das die Norm wird, geht das nicht mehr. Das ist notwendiges Wissen, das wir zu den Unternehmen bringen.

Braucht es da die wiederholte Konfrontation?
Ich glaube, viele Organisationen merken, dass sich gerade was ändert, können das aber noch nicht ganz einordnen. Einmal fragt mich meine Bank nach irgendwelchen Daten, dann fragt mich wieder ein Kunde. Aber die Einordnung, das Große Ganze, glaube ich, ist noch nicht gut genug angekommen. Das kommt jetzt langsam aufgrund der Berichtspflicht an. Gleichzeitig gibt es gerade in Österreich viele Institutionen, die den Unternehmen immer noch sagen: “So schlimm wird es nicht und man muss sich nicht so ändern”. Ich halte das für unfair den KMUs gegenüber. Jetzt hätten sie noch Zeit, sich damit auseinanderzusetzen, denn in drei Jahren von jetzt auf gleich wird’s wirklich schwer.

Ihr beschäftigt euch auch mit Greenwashing. Was ist der schlimmste Fall, der euch bis jetzt untergekommen ist?
Kann ich gar nicht sagen, Greenwashing entdecke ich jeden Tag. Das Problem ist auch, dass “klimaneutral” als Begriff kaum jemand verstanden hat.

Dann klären wir das doch kurz mal auf. Was ist “klimaneutral”?
Wenn ich mir ein durchschnittliches Unternehmen hernehme, heißt das, es muss seine Treibhausgasemissionen in den nächsten Jahren um 90% bis 95% reduzieren. In der Vergangenheit gab es sehr häufig den Gedanken, ich kann mich klimaneutral nennen, wenn ich ausgleiche. Ausgleich würde ja heißen, ich habe Emissionen und gleichzeitig Kohlenstoffsenken, die meine Emissionen wieder aus der Atmosphäre entnehmen. Aber echte Senkenprojekte gibt es kaum. Das sind dann eher so Dinge wie ein Windparkprojekt in Afrika. Es ist ganz toll, dass man erneuerbare Energien dort unterstützt und da auch Geld investiert, aber es ändert nichts an meinen ausgestoßenen Emissionen.

Zusammengefasst: Eins + Eins  – Eins = Eins und nicht Null?
Richtig. Also wenn ich eine Tonne emittiert habe, dann ist da eine Tonne in der Atmosphäre. Vermeide ich eine Tonne woanders, bleibt meine eigene immer noch in der Atmosphäre. Sie wird nicht neutralisiert. Das ist das Problem. Deshalb tue ich mir so schwer wenn auf jedem Wurstpackerl klimaneutral steht. Jeder Zeichenblock von meinen Kindern hat den Claim klimaneutral drauf. Das ist ja alles Greenwashing.

Was ich persönlich besonders schlimm fand, war eine bekannte Fluglinie, die ja auch tatsächlich für einen Claim verurteilt wurde. Im Anschluss ging sie mit einer neuen, ähnlichen Kampagne raus. Da war aus meiner Sicht so gar keine Einsicht da. Mich schockiert diese Dreistigkeit, da einfach so weiterzumachen und auf Biegen und Brechen ein nicht nachhaltiges Geschäftsmodell am Leben zu erhalten.

Ein anderes Beispiel ist eine Fahrschule ums Eck, da bin ich zufällig drüber gestolpert. Die haben eine Plakatwerbung gemacht: “Lerne jetzt klimaneutral fahren”. Ich bin mir sicher, die wissen überhaupt nicht, was klimaneutral heißt. Die hatten zwei PV-Anlagen am Dach und ein E-Auto, das sie damit laden. Das ist großartig, aber das hat nichts mit Klimaneutralität zu tun. Die machen das sicher nicht bösartig, das ist aus einer bloßen Unwissenheit heraus. 

Also es gibt auf der einen Seite die großen Organisationen, die das teilweise bewusst machen und mit Kampagnen rausgehen, und auf der anderen Seite das alltägliche Greenwashing, zum Teil aus Unwissenheit. 

Aber Nichtwissen schützt vor Strafe nicht und jetzt kommen strenge Vorgaben von der EU.
Absolut, genau. Es gibt ja zwei Vorgaben, die kommen werden. Nächstes Jahr kommen die ersten CSRD-Berichte. Ich sehe das als einen Baustein gegen Greenwashing, weil Organisationen transparent über ihre Nachhaltigkeitsmaßnahmen, Ziele etc. berichten müssen. Dann kommt auch die ECGT Directive (Empowering Consumers for the Green Transition; Anm.), eine Harmonisierung für Green Claims auf EU-Ebene. Da werden dezidiert auch solche fluffy Umweltclaims wie “ich bin klimafreundlich” oder “nett zur Umwelt” zukünftig nicht mehr erlaubt sein. Auch “klimaneutral” darf dann nicht verwendet werden, außer ich kann wirklich mit wissenschaftlichen Methoden belegen, dass ich klimaneutral bin. Ich glaube, damit ist es de facto ein Verbot. Ich kenne keine Organisation, die behaupten kann, dass in ihrer gesamten Wertschöpfungskette keine Emissionen entstehen oder dramatisch reduziert wurden und der Rest neutralisiert ist. 

Eine Beweislastumkehr also?
Richtig. 

Jetzt haben wir sehr viel über die negativen Beispiele gesprochen. Habt ihr auch Erfolgsstories für uns?
Um den Impact als Klimaschutzakademie wirklich groß zu machen, wollen wir andere Personen ausbilden. Wenn wir nur beraten gehen, hilft das zwar potenziell auch einigen Organisationen, aber da werden wir halt nicht viele erreichen. Allein in Österreich haben wir ca. 350.000 KMUs. Deshalb haben wir einen Lehrgang entwickelt, mit dem wir andere Berater:innen, Führungskräfte und Nachhaltigkeitsmanager:innen ausbilden. Der größte Erfolg ist, dass wir aus den Absolvent:innen jetzt eine Community geschaffen haben. 

Wann habt ihr den Lehrgang gestartet?
Wir haben vor zwei Jahren gestartet und schon sechsmal durchgeführt. Im Herbst startet der nächste Lehrgang. 

Wie viele Leute haben den Lehrgang schon durchlaufen?
Wir haben pro Lehrgang maximal zehn Leute, weil wir wirklich ganz bewusst mit wenigen Personen intensiv arbeiten möchten. Das sind jetzt also ca. 55 Personen in der Community. 

Ihr seid auch Mitglied der Climate Lab Community. Wie hilft euch das?
Uns hilft die Community sehr, weil wir als Organisation eben sehr stark als Netzwerk arbeiten und agieren. Wir arbeiten mit selbstständigen TrainerInnen und BeraterInnen und vermitteln dann Anfragen gerne auch an vertrauenswürdige Personen in unserem Netzwerk, wenn es z.B. um das Erstellen einer Treibhausgasbilanz geht. Im Climate Lab haben wir da schon ganz großartige Leute getroffen, an die wir gerne Kontakte und Projekte weiterleiten. 

Was ist eure Vision bis 2030?
Also die kurzfristigen Milestones sind, dass wir unseren Lehrgang im Herbst erstmals in Linz und Amstetten anbieten. Bis 2030 ist natürlich die Idee, dass wir noch viel mehr Leute ausbilden, den Lehrgang auch in anderen Städten anbieten, auch über Österreich hinausgehen und das Thema auch vor allem in den CEE-Raum (Central Eastern Europe) tragen.

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