Nachhaltig schlafen – auf die Matratze kommt es an

Das Klima schützen kann man in allen Lebenslagen, auch beim Schlafen. Denn in Österreich werden jährlich 1,4 Mio Matratzen verbrannt. Das soll sich ändern, mit rezyclierbaren Matratzen. Wie das gelingen kann, darüber wurde im Climate Lab im Industry Circle “Ecodesign und Recycling von Matratzen" diskutiert.

Wenn es um Klimaschutz geht, sind Matratzen sicher nicht das erste Thema, das einem in den Sinn kommt. Das liegt daran, dass man die Größenordnung des Problems unterschätzt. Nicht nur in den eigenen 4 Wänden, auch in Hotels, Krankenhäusern, beim Bundesheer oder in Gefängnissen gibt es Matratzen, die auch noch deutlich häufiger gewechselt werden. So fallen allein in Österreich jedes Jahr 1,4 Mio Matratzen an. In der gesamten EU sind es gar 30 Mio Stück. Dabei entstehen in Österreich nicht nur jährlich 200.000 Tonnen CO2, sondern es gehen auch Rohstoffe verloren, die genutzt werden könnten. Das muss sich ändern.

Daher startet das Climate Lab im Sinne der österreichischen Kreislaufwirtschaftsstrategie ein Innovationsprogramm für  zirkuläre Matratzen. Den Auftakt machte gestern ein Industry Circle, moderiert von Helene Pattermann und Gregor Pflüger. Dabei diskutierten Herstellerinnen, Entsorger, Branchen-Vertreter:innen, Wissenschaftler:innen und Experten aus der Verwaltung, welchen Pfad man bei Matratzen in Richtung Zirkularität einschlagen kann.

Helene Pattermann & Gregor Pflüger haben das Industry Circle moderiert.

Ökodesign macht den Unterschied

Zur Einstimmung gab es drei Impulsvorträge. DI Andreas Tschulik, Leiter der Abteilung für betrieblichen Umweltschutz des BMK, gab einen Einblick in den Stand der Verhandlungen rund um relevante Regelungen wie etwa die europäische Ökodesign-Verordnung. Die Regelung soll eine EU-weite Grundlage für ein ökologisch nachhaltiges Design in vielen Produktgruppen schaffen und ist somit eine entscheidende Voraussetzung für kreislauffähige Produkte. Insbesondere bei Textilien und Matratzen soll die Regelung einen echten Schritt zu mehr Klimaverträglichkeit und Kreislaufwirtschaft bringen. Die Anforderungen an Produkte werden zukünftig dann auch die Reparaturfreundlichkeit und die Inhaltsstoffe umfassen.

Univ. Prof. Dr. Wolfgang Wimmer skizzierte im Anschluss einen Pfad zu einem zirkulären Geschäftsmodell. Dabei zeigte er nicht nur, wie viel CO2 in der Matratze steckt (je nach Typ 67-83 kg/m²), sondern auch, wo CO2 entsteht. Der mit Abstand größte Teil der Klimabelastung ist auf die Rohstoffgewinnung zurückzuführen. Herstellung, Transport und Entsorgung sind eher vernachlässigbar. Um das Klima möglichst zu schonen, ist es somit entscheidend, die Wertstoffe möglichst lange im Kreislauf zu behalten. Dabei handelt es sich je nach Matratzentyp um Metall (Federn), Latex, Schaum sowie Textilien. Die größte Herausforderung dabei sind Verbundstoffe, da die verschiedenen Wertstoffe nur schwer voneinander getrennt werden können. Bei anderen Produktgruppen haben Pioniere unter den Herstellern das Potential des Ökodesigns bereits erkannt. Bei Bürostühlen ist viel Wertstoff im Drehfuß gebunden. Es lohnt daher, wenn man diesen unkompliziert und Sorten-rein demontieren kann. Solche Vorbilder sind eine wertvolle Inspiration für andere Produktklassen, so auch für Matratzen.

Univ. Prof. Dr. Wolfgang Wimmer hat über die Treibhauspotenzial einer Matratze erklärt.

Vorbild Schweiz: Die Matratzen-Allianz
Viel Inspiration gab es danach auch aus der Schweiz, wo (noch) ähnlich viele Matratzen in der Verbrennungsanlage landen. Dort wurde als Ergebnis der Initiative “Make Furniture Circular” 2021 eine Matratzen-Allianz gegründet. 2024/25 bereits soll dort auch die erste Recyclinganlage gebaut werden. Die Geschäftsführerin Esther Hidber war live zugeschaltet und gab den Gästen wertvolle Tipps mit auf den Weg. Dabei zeigte sich, dass andere Länder wie Frankreich, das Vereinigte Königreich oder die Niederlande bereits einen Schritt weiter sind. Aber vielleicht gelingt es ja auch in Österreich, demnächst eine Allianz für nachhaltige Matratzen zu schmieden.

Das Herzstück eines jeden Industry Circles bildet aber die Diskussion in sektorübergreifenden Kleingruppen. Dabei können Sichtweisen, Problemstellungen und Lösungsansätze von der Herstellung über den Verkauf, die Entsorgung bis hin zur Gesetzgebung ausgetauscht werden. Wissenschaftliche Expertise darf dabei natürlich auch nicht fehlen. Bedenken und Hürden gibt es einige, aber der generelle Wille, die nötigen Veränderungen anzugehen, ist deutlich zu spüren.

Was tun mit den Matratzen, die schon in Umlauf sind?

Die größte Herausforderung ist, wie sich die Wertstoffe sortenrein zurückgewinnen lassen. In Zukunft kann dabei natürlich ein entsprechendes Ökodesign helfen – sprich die Produkte werden von Anfang an so entworfen, dass man sie später leicht in ihre Bestandteile zerlegen kann. Aber eine Matratze, die 2023 produziert wird, wird vermutlich erst im nächsten Jahrzehnt zur Entsorgung anstehen. Was tun mit all den Matratzen, die heute im Umlauf sind? Neben der Ultima Ratio des Verbrennens reichen die Lösungsansätze von einer Verlängerung der Lebensspanne (z. B. professionelle Reinigung) über Downcycling bis hin zu chemischem Recycling. Die eine perfekte Lösung gibt es da leider nicht, aber eine deutliche Verbesserung zum Status Quo scheint möglich. Am wichtigsten ist, möglichst schnell damit aufzuhören, das falsche zu tun und so schnell es geht, Matratzen auf den Markt zu bringen, die sich einfach in eine Kreislaufwirtschaft integrieren lassen.

Am Ende eines spannenden Tages steht somit für alle Besucher:innen des Climate Lab, dass man in der Kreislaufwirtschaft nur gemeinsam erfolgreich sein kann. Alle Glieder der Kette müssen miteinander reden und zusammenarbeiten. Die Zuversicht ist groß, dass man beim Thema Matratzen zeigen kann, wie es auch in ganz vielen anderen Bereichen klappen kann. Ärmel hochkrempeln und loslegen, das ist das Wichtigste.

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