Was ist Thinkubator?
Thinkubator ist ein Think-Tank für Kreislaufwirtschaft. Wir haben drei Säulen: Bildung, Forschung und Beratung, wobei wir für Bildung sicherlich am bekanntesten sind.
Ihr betreibt selbst aktiv Forschung?
Wir betreiben Forschung im Bereich von Product Service Systems, sprich zirkulären Geschäftsmodellen. Ein aktuelles Forschungsprojekt ist ein FFG-Projekt, in dem wir einen Stakeholder-Prozess mit dem Finanzsektor und KMUs durchführen. Wir wollen herausarbeiten, was wir voneinander brauchen, um Geschäftsmodelle der Kreislaufwirtschaft zu finanzieren. Wir arbeiten derzeit auch mit PhD-Studierenden daran, ein Paper zu New Business Models einzureichen. Als drittes Beispiel arbeiten wir jetzt gemeinsam mit dem Institute for Clean Technology (ICT), den shifttanks, the Tomorrow Tribe und weiteren Partnern, die wir im Climate Lab finden.
Seid ihr ein Verein, eine GmbH oder was anderes?
Wir sehen uns als Social Business. Wir sind momentan noch ein Verein, die Gesellschaftsgründung steht aber dieses Jahr an. Wir wollen aber den Verein behalten, um den Mission Drift zu verhindern.
Wann und warum habt ihr Thinkubator gestartet?
Felix kommt aus der Sozialwirtschaft und hat mich vor 3 Jahren mit dem ersten Draft angesprochen. Ich habe davor in diversen Organisationen und Positionen mit Nachhaltigkeitsbezug gearbeitet und war sozusagen immer eine Sustainability-Person – für ihn die logische Ansprechpartnerin. Was uns am Anfang getriggert hat, ist dieser Knowledge-Action-Gap im Klimabereich. Es gibt viel Forschung, aber nur ein Bruchteil davon wird umgesetzt. Deshalb wollten wir Experten:innen und potenzielle Gründer:innen zusammenbringen. Als erstes Thinkubator Angebot haben wir ein Fellowship Programm gedraftet. Junge motivierte Personen und Expert:innen sollten 4 Monate an Kreislaufwirtschaft Challenges arbeiten. Das läuft bis heute. Gerade haben wir den fünften Durchgang abgeschlossen.
Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Wie kann man sich das Leben in einer Kreislaufwirtschaft vorstellen?
Stellen wir uns einen normalen Tag vor. Ich stehe in der Früh auf und fahre in die Arbeit. Mein Auto geht kaputt. Das ärgert mich total, wenn es mir gehört. Jetzt muss ich mich drum kümmern und es wird teuer. Am Nachmittag wasch ich meine Wäsche und die Waschmaschine läuft aus oder der Geschirrspüler geht ein. Das sind alles Dinge, mit denen willst du dich eigentlich nicht herumschlagen. In einer Kreislaufwirtschaft musst du das auch nicht, denn die Eigentumsverhältnisse drehen sich um. Der Handel bleibt Eigentümer und ist für Reparatur und Entsorgung verantwortlich.
Wie beim Auto-Leasing?
Das wird in der Kreislaufwirtschaft viel weiter gedacht. Alles, was wir heute besitzen, können wir auch mieten. Meine Kopfhörer, mit denen ich in der Früh meine Musik höre, kann ich nach zwei Jahren zurückschicken. Das Unternehmen baut die Materialien wieder aus und in die neue Generation Kopfhörer wieder ein. Ich bekomme die neueste Version und zahle weiterhin meine 15 Euro im Monat.
Gibt es schon Vorbilder oder Best Practice Beispiele?
Refurbed gefällt mir sehr gut, weil sie das zirkuläre Geschäftsmodell unterstützen, die ganzen enabling-Tätigkeiten mitdenken, das Ökosystem mitgestalten, auf EU-Ebene die Gesetze mitpushen und Customer Education betreiben. Dann fällt mir auch Caterpillar ein. Das ist ein global sehr erfolgreiches Unternehmen, das schon seit den Siebziger Jahren ihre Maschinen zurücknimmt, um sie dann neu aufzubereiten.
Und woran hakt es bei der Kreislaufwirtschaft?
Vieles funktioniert noch nicht, weil der Sekundärrohstoffmarkt in vielen Bereichen noch viel teurer ist als der Primärrohstoffmarkt. Das ist in vielerlei Hinsicht eine Katastrophe, vor allem für die Kreislaufwirtschaft. Es kann eigentlich nicht sein, dass ein Recyclingmaterial teurer ist als ein Primärmaterial. Das geht nur, weil Umweltkosten nicht eingepreist sind. Wir importieren ja mit den 200 Gramm iPhones auch hunderte Kilos von Embedded Raw Material, die bis zur Fertigstellung angefallen sind.
Stichwort iPhone: Was müsste Apple für ein echtes zirkuläres Geschäftsmodell ändern?
Zunächst mal müsste die Lebensdauer der Produkte erhöht werden. Es kann nicht sein, dass Updates auf 3 Jahre alten Handys nicht mehr gehen. Die Software muss auch Langlebigkeit unterstützen. Dann bräuchte es einen Apple Second Hand Markt und ein Right to Repair. Die Dinge müssen reparierbar sein, sich aufschrauben und zerlegen lassen. Dazu braucht es auch ein modulares Design. Im Idealfall bekommt man am Ende Geld für die Rückgabe oder das Gerät wird von Anfang an nur vermietet. Die enthaltenen Materialien müssen sich dann Sorten-rein sortieren lassen.
Was könntet ihr für mich als interessierter Unternehmer, der sich für Kreislaufwirtschaft interessiert, tun?
Wir können einen Rethink-Workshop anbieten. Wir schauen uns deine Prozesse an und mappen die Produktionsabläufe und Stoffströme. Was geht in das Unternehmen rein und was geht raus? Vielleicht hast du schon Waste-Streams, die für jemand anderen ein wertvoller Input wären. Wir schauen uns auch an, was deine Ausgangsmaterialien sind und ob sich da Recyclingmaterialien in dein Produkt einbauen lassen. Dann das Geschäftsmodell. Ist Sharing Economy oder Product as a Service eine Option?
Wie steht es unter den Unternehmer.innen um das Bewusstsein für Kreislaufwirtschaft?
Eine Studie hat gerade erst gezeigt, dass Kreislaufwirtschaft zwar zu den Top-Trends für Unternehmen zählt, aber nur 20 Prozent mehr als 10.000 Euro investieren würden. Die Bereitschaft, in Kreislaufwirtschaft zu investieren, ist also noch sehr niedrig. Aber den meisten Unternehmen ist irgendwo schon klar, dass Kreislaufwirtschaft ein Thema ist.
Und woran liegt das?
Kreislaufwirtschaft ist ein komplexes Thema, das man nicht alleine angehen kann. Für die Energiewende installiert man Solarpaneele auf dem Dach oder stellt einen Windpark auf. Dann hat man schon was erreicht. Für Kreislaufwirtschaft brauchst du die Kooperation deiner Kund:innen und deiner Supply Chain. Du musst Daten austauschen, vielleicht auch sensible Informationen mit Konkurrent:innen teilen. In jedem Fall musst du dir eingestehen, dass du es alleine nicht schaffst. Für Kreislaufwirtschaft brauchen wir Kooperation und das fällt vielen Unternehmen schwer. Deswegen ist es oft effizient und effektiv, jemand externen dazuzuholen.
Gleichzeitig wird ein grünes Image für Unternehmen immer wichtiger. Wie hoch ist die Greenwashing-Gefahr?
Greenwashing-Gefahr sehe ich in unserem Arbeitsalltag eher nicht. Aber der Fokus liegt leider immer noch stark auf Recycling. Recycling ist mit Abstand die niedrigste Impact-Strategie in der Kreislaufwirtschaft, aber mehr als 90 Prozent der Gelder gehen momentan ins Recycling und in die Recycling-Forschung. Es gibt da auch noch den Begriff des Circular Washing. Einige Dinge werden als recycelbar gekennzeichnet, die ja deshalb in der Realität noch lange nicht recycelt werden. Schön, dass es recycelbar ist, aber das ändert nichts an den Materialmengen, die immer noch falsch entsorgt werden. In der Restmülltonne ist nach wie vor zwei Drittel kein Restmüll. Das hat sich in den letzten 50 Jahren nicht verändert.
Ist Recycling nicht vielleicht auch schon ein bisschen eine Form von Greenwashing? Immerhin wird oft so getan, als wäre mit Recycling das Problem gelöst.
Ganz genau. Man muss sich immer fragen, wie es mit der Energie aussieht? Wenn wir energieintensive Prozesse wie Recycling skalieren wollen, dann brauchen wir massiv viel erneuerbare Energien. Je weiter unten in der R-Strategie-Hierarchie wir ansetzen, desto mehr zusätzliche Energie brauchen wir. Wenn du das Material komplett einschmilzt und wieder was Neues daraus produzierst, brauchst du ein Vielfaches mehr Energie, als wenn du es wieder verwendet oder reparierst.
Da denkt man schnell an Einweggläser im Supermarkt.
Ja. Eine Gruppe hat sich in unserem Fellowprogramm 2022 Weinflaschen angeschaut und den CO2-Fußabdruck des Weinflaschenkreislaufs in Österreich berechnet. Rausgekommen ist die doppelte CO2-Menge von Lichtenstein. Nur die Weinflaschen! Das ist komplett verrückt. Warum haben wir dieses System und nicht wie bei Bierflaschen ein Pfandsystem?
Was sind eure nächsten Milestones?
Wir haben 2023 mit sehr vielen tollen Neuigkeiten abschließen dürfen, mit einigen Zusagen und neuen Projekten, die sich angebahnt haben. 2024 haben wir auch einige Moonshots geplant. Zum Beispiel holen wir 2024 das Climate Launchpad wieder zurück nach Österreich. Das ist das weltweit größte Programm für frühphasige Klima-Gründer:innen in Europa. Die Bewerbungsfrist geht bis 1. April.
Wie hilft es euch, Teil der Climate Lab Community zu sein?
Für uns ist das Climate Lab ein super Ort, um Kooperationspartner:innen zu finden und um schnell an die richtigen Menschen zu kommen. Die Community macht alles schneller. Man kann sich besser koordinieren, schneller zusammenfinden und auch gemeinsam mehr umsetzen.
Wonach sucht ihr derzeit?
Wir wollen so viele Klima-Gründer:innen wie möglich mit dem Climate Launchpad 2024 erreichen. Und wir suchen im Rahmen des FFG Projekts nach Expert:innen, in der Schnittmenge Finance und Sustainability.
Alexandra Kick ist Mitbegründerin von Thinkubator. Sie stammt aus Deutschland und lebt seit fünf Jahren in Wien. Die studierte Sozioökonomin erweitert derzeit an der BOKU ihre naturwissenschaftlichen Kenntnisse zum Klimawandel.
Foto: Markus Palzer-Khomenko