Laut Umweltagentur fallen in Österreich jährlich rund 220.000 Tonnen Textilabfälle an. Diese erschreckende Zahl ist Ausdruck eines bedeutendes Problems in der Fast-Fashion-Industrie, die fast 10% der globalen Kohlenstoffemissionen verursacht. Um dem entgegenzuwirken, sind mehrere Lösungen notwendig, darunter die Veränderung der Wahrnehmung von Second-Hand-Kleidung und die Förderung von Tauschaktionen. Anna Greil arbeitet mit uptraded daran, Kleidertauschen vom Trend zum erfolgreichen Geschäftsmodell zu führen.
Erzähl uns doch bitte vom Anfang, wie kam es zum Namen und warum in der Modebranche?
Der Name war, um ehrlich zu sein, eine lange Diskussion. Unser Ziel war, Geld vom Modekonsum zu entkoppeln, und Tauschen ist eine gute Möglichkeit dafür. Eine wirklich interessante Sache, die beim Tauschen passiert, lässt sich gut an diesem Beispiel erklären: Für mich ist diese Kapuzenjacke, die ich trage, 10 Euro wert, und für dich ist deine Kapuzenjacke 15 Euro wert. Aber wenn ich deine Jacke sehe, denke ich, sie ist 20 Euro wert, und du denkst auch, dass mein Artikel mehr wert ist. Also denken beide Personen, dass sie an Wert gewinnen, wenn sie tauschen. Uptrading bedeutet “Aufwertungstausch”. So gewinnst du an Wert, du wirst etwas los, das für dich nicht viel Wert hat, und bekommst etwas, das du gerne trägst. So sind wir zum Namen uptraded gekommen.
Ist es immer ein Austausch zwischen zwei Personen?
Im Moment ja. Wir testen tatsächlich gerade ein anderes Modell, bei dem wir über eine interne Währung nachdenken. Wenn die Leute etwas hochladen, erhalten sie Münzen oder etwas Vergleichbares und können diese Münzen dann für jedes andere Kleidungsstück verwenden. Es muss also nicht eins zu eins tauschen sein.
Wie bist du auf diese Idee gekommen? Was hat dich motiviert, anzufangen?
Mein Background ist in den Bereichen Finanzen und Strategie. Eigentlich dachte ich während meines Studiums, ich werde den klassischen Weg gehen, Betriebswirtschaft studieren und dann Beratung machen und dann, ich weiß nicht, reich werden und eventuell nicht glücklich sein. Aber dann hatte ich immer das Gefühl, dass ich etwas tun wollte, das einen Einfluss hat. Den Begriff des sozialen Unternehmertums kannte ich überhaupt nicht. Doch dann hatte einer meiner Freunde die Idee, etwas in der Modebranche zu machen. Ich war schon immer interessiert an Mode und war eigentlich auch Teil des Problems. Ich bin ziemlich oft einkaufen gegangen. Im Gespräch mit diesem Freund wurde mir dann aber klar, dass es auch eine nachhaltigere Lösung für Menschen, die Mode mögen, geben muss.
Wann hast du mit uptraded begonnen?
Ich habe in Innsbruck am MCI studiert und dann ein Semester im Ausland in Neuseeland gemacht. Da habe ich mit zwei meiner Kollegen, mit denen ich studiert habe, im Januar 2020 begonnen, an uptraded zu arbeiten. Wir hatten die Idee, dass wir etwas in der Fashionindustrie machen wollen, das es den Menschen ermöglicht, modische Vielfalt zu erleben, ihren Stil zu finden, aber ohne negative Einflüsse. Wir haben dann Offline-Veranstaltungen gemacht, eine Community aufgebaut und dann letztes Jahr die App gelaunched.
Wie funktioniert die App?
Uptraded funktionierte wie Tinder, nur für Kleidung. Es ist eine Swipe- und Match-Kleidertausch-App. Die Leute laden ihre Stücke hoch, dann wischen sie durch die Kleidung anderer, und wenn es ein gegenseitiges Interesse gibt, gibt es einen Match. Wir haben dann festgestellt, dass das sehr gut für Menschen mit einer ähnlichen Größe und einem ähnlichen Stil funktioniert. Manche werden sogar zu Style-Buddies. Aber es funktioniert weniger gut für Menschen, die ihren Style-Buddy noch nicht gefunden haben. Deshalb entwickeln wir jetzt unsere interne Währung, bei der der Tausch nicht nur eins zu eins erfolgt, sondern die Leute etwas zu diesem Tauschpool von Kleidung beitragen und etwas anderes daraus nehmen können.
Wird es nur bei Kleidungsstücke bleiben?
Wir überlegen tatsächlich auch, andere Produkte einzubeziehen. Urban Outfitters oder Concept Stores verkaufen neben Kleidung auch Pflanzen, Bücher oder Dekoration. Wir denken darüber nach, auch diese Art von Lifestyle-Produkten einzuschließen.
Anna Greil, Gründerin von uptraded. foto: mpk
Wie kommt man an diese interne Währung? Nur durch eigene Kleidungsstücke oder wird man sich die auch kaufen können?
Wenn Nutzer:innen ein Kleidungsstück hochladen, bekommen sie Münzen auf ihr Konto. Es ist möglich, das Guthaben durch Geld aufzuladen, um das Konto aufzustocken, aber im Grunde werden deine Kleider zu deiner Währung.
Wie viele Kleidungsstücke werden bei euch getauscht und wie viele Benutzer habt ihr bereits?
Es sind jetzt bereits 20.000 Nutzer auf der Plattform. Davon sind zwei- bis dreitausend monatlich aktiv. In guten Monaten gibt es rund 1.000 Tauschvorgänge. Perioden, in denen das Wetter gut ist und niemand Zeit damit verbringen möchte, den Kleiderschrank zu sortieren, sind es nur einige hundert.
Nur in der DACH-Region?
Ja. Österreich und Deutschland tatsächlich. Die meisten sind in Wien und Berlin ansässig.
Wie viele Kleidungsstücke hast du selbst schon getauscht?
Ich schätze so 20 bis 30 Stück online und den Rest offline.
Sind die Kaufzyklen von Second-Hand und Fast Fashion ähnlich oder sehr unterschiedlich?
Völlig unterschiedlich. Das einfachste Beispiel ist Weihnachten. Nur wenige Leute kaufen bereits Second-Hand-Geschenke, die meisten kaufen neue Dinge. Wenn du etwas schenkst, möchtest du etwas Neues und ordentlich Verpacktes haben. Es ist gesellschaftlich noch nicht so üblich, gebrauchte Sachen zu verschenken. Deshalb wird viel Fast Fashion vor Weihnachten gekauft. Da bekommen dann viele Menschen Dinge, die sie eigentlich nicht mögen und damit beginnt dann der Second-Hand-Zyklus. Dasselbe sehen wir nach dem Black Friday.
Wann hat der Trend zu Second Hand in Österreich begonnen?
Willhaben, Spock oder Vinted wurden um das Jahr 2005 herum gegründet. Es muss also zu dieser Zeit bereits einen Markt gegeben haben. Richtig trendy wurde Second-Hand aber erst in den letzten Jahren, denke ich. Ich erinnere mich noch daran, als ich zur Schule ging. Da war es nicht das Coolste zu sagen, dass ich das von meiner Schwester bekommen habe. Es musste neu und markenmäßig sein. Heute ist bei Schulkindern das T-Shirt von ihrer Mutter oder Großmutter oft das Coolste, das sie tragen können. Auch auf TikTok und in sozialen Medien gibt es all diese Second-Hand-Trends, bei denen Leute preiswerte Kleidung nehmen und sie so stylen, dass sie cool aussieht. Das hat wahrscheinlich vor den letzten drei bis fünf Jahren begonnen.
Seht ihr Plattformen wie Willhaben als Konkurrenz?
Ja, würde ich schon sagen. Was uptrade unterscheidet, ist unser Fokus auf den Tausch, also die nicht-monetären Transaktionen. Das bringt einige Vorteile. Zum Beispiel haben Marktplätze oft mit Betrug zu kämpfen. Das Problem kennen wir nicht. Der zweite Vorteil ist, dass wir einen viel schnelleren Umlauf haben, weil die Teile kein Geld kosten. Ungefähr die Hälfte der Kleider bei Tauschevents werden innerhalb der ersten Stunden getauscht. Auf Flohmärkten verkaufst du wahrscheinlich nur etwa 5 bis 15% der Sachen. Bei Tauschveranstaltungen, wenn du 10 Teile mitbringst, werden normalerweise 8 bis 9 getauscht.
Wie viele Personen arbeiten derzeit bei uptraded?
Neben mir und meinem Co-Founder Thomas, er ist ein Entwickler, haben wir noch zwei Angestellte und drei weitere Personen helfen auf freiwilliger Basis. Das Ziel ist, vier oder fünf Personen zu haben, die Vollzeit bei uptraded arbeiten.
Wonach sucht uptraded jetzt und wie kann unsere Community helfen?
Als Marktplatz müssen wir auch schnell wachsen, um eine kritische Masse zu erreichen. Deshalb suchen wir auch nach Finanzierungsmöglichkeiten. Marktplätze wurden bisher viel durch Daten und Werbung finanziert. Das ist nicht im Einklang mit unseren Werten. Wir suchen derzeit nach einer Monetarisierungsstrategie und sind für Ideen oder Beispiele aus anderen Branchen offen. ClimateLab und ImpactHub sind die richtige Gemeinschaft dafür, die Leute sind mit diesem Impact-Thema und der Kreislaufwirtschaft vertraut.