COP 30: „Ich wünsche mir mehr als schöne Worte.“

‏‏‎ ‎|‏‏‎ ‎Elisabeth Rauter-Ibovnik

Warum Sigrid Karl und Benedicta Opis von den CliMates Austria als Jugenddelegierte zur COP30 in Brasilien reisen – und was sie dort wirklich bewegen wollen, erzählten sie gemeinsam mit CliMates Vorständin Lena Rauter in unserem Community Talk im Vorfeld der Weltklimakonferenz. Das Interview führte Impact Redakteurin Elisabeth Doris Rauter-Ibovnik.

Während Sigrid Karl als erfahrene Senior Youth Delegate und Benedicta Opis als Junior Youth Delegate im Rahmen des UNFCCC-Jugenddelegiertenprogramms gerade auf dem Weg zur COP 30 nach Brasilien sind, begleitet Lena Rauter als Vorstandsmitglied und ehemalige Delegierte das Programm aus Wien – organisatorisch und strategisch. Ein Gespräch über die Grenzen jugendlicher Mitsprache, Frustration und kleine Fortschritte – und warum Durchhalten in der Klimapolitik längst zur Grundhaltung geworden ist.

Ihr steckt mitten in den Vorbereitungen für die COP 30 in Brasilien. Wie geht es euch kurz vor der Abreise – Vorfreude oder eher Stress?

Sigrid: “Beides. Es ist ein ständiges Auf und Ab zwischen „Ich kann’s kaum erwarten“ und „Wie soll ich das alles schaffen?“. Diese Wochen sind intensiv – aber irgendwie auch typisch COP: chaotisch, dicht, emotional.“

Benedicta: “Ja, ich glaube, wir alle schwanken zwischen Motivation und Überforderung. Die Vorbereitung zieht sich über Monate, und besonders wichtig ist uns dabei, dass wir in Austausch mit jungen Leuten in Österreich sind. Am Ende versucht man nur noch, alles unter einen Hut zu bringen.

Wie seid ihr in diese Rollen gekommen – und was macht euch im Klimaschutz und insbesondere bei CliMates Austria aktiv?

Lena: „Ich bin im Vorstand von CliMates Austria und kümmere mich vor allem um Netzwerkarbeit, Kooperationen und auf organisatorischer und finanzieller Seite um unsere Projekte – unter anderem unser Jugenddelegiertenprogramm. Ich war selbst einmal Teil davon und bei der COP 28 in Dubai mit dabei. Was mich an CliMates begeistert, ist dieses Gefühl, dass man nicht nur über Klimapolitik redet, sondern sie wirklich mitgestaltet – in kleinen, konkreten Schritten, gemeinsam mit Leuten, die das gleiche Ziel haben.“

Sigrid: „Ich bin heuer Senior Delegate, also Mentorin für die neuen Delegierten. Letztes Jahr war ich zum ersten Mal bei der COP in Baku. Ich war ehrlich gesagt ziemlich überwältigt: alles riesig, komplex, formell, fast unnahbar. Aber mit der Zeit merkt man, wie die Räume funktionieren, wen man ansprechen kann, wo man überhaupt etwas bewegen kann. Das will ich jetzt weitergeben. Und weil es sich einfach gut anfühlt, gemeinsam zu lernen, statt allein zu kämpfen.“

Benedicta: „Ich bin dieses Jahr Junior Delegate – also neu dabei. Seit ich denken kann, ist Umweltschutz bei uns zuhause immer Thema – meine Mama arbeitet in dem Bereich, und das hat mich von klein auf geprägt. Politisch wurde es dann mit Fridays for Future. Da hab ich gemerkt: Wir sind viele, und wir können was bewegen.“

Was macht CliMates Austria genau – und was ist eure Rolle darin?

Lena: „CliMates ist eine Jugend-Klima-NGO, die sich mit Klimapolitik und Bildung beschäftigt. Wir organisieren Projekte wie Klimareporter.in, die LCOY Austria, Workshops, Simulationen von Klimakonferenzen und begleiten die Jugenddelegierten zur COP. Unser Ziel ist, die Jugend in Entscheidungsprozesse einzubringen – so gut das eben geht.“

Sigrid: „Wir sind eine kleine Organisation, vieles läuft ehrenamtlich und das Budget ist begrenzt. Wir versuchen, mit den Mitteln, die wir haben, flächendeckend in Österreich aktiv zu bleiben.“

Sigrid, du kennst die COP also schon aus eigener Erfahrung – letztes Jahr warst du in Baku, Aserbaidschan dabei. Was hast du aus dieser ersten Teilnahme mitgenommen, und hat sich dein Blick auf die Klimaverhandlungen seitdem verändert?

Sigrid: „Letztes Jahr war meine erste COP – und ich war ehrlich gesagt völlig überwältigt. Es war riesig, chaotisch, und alles passiert gleichzeitig. Was mich besonders geprägt hat, war dieser Kontrast zwischen der großen politischen Bühne drinnen und der Zivilgesellschaft draußen, die laut ist, aber kaum Zugang hat. Ich hab gelernt, dass man auf der COP kleine Erfolge feiern muss. Wenn man auf den großen Durchbruch wartet, wird man wahnsinnig. Also kann man schon sagen, dass sich mein Blick verändert hat. Ich sehe jetzt, wie zäh das alles ist – aber auch, wie viel Arbeit hinter jedem kleinen Satz im Text steckt. Das ist mühsam, aber wichtig.“

Benedicta, für dich ist es die erste COP – ein ganz neuer Schritt. Wie fühlt sich das an, und was erwartest du dir von dieser Erfahrung?

Benedicta: „Ich schwanke zwischen totaler Vorfreude und der Sorge, dass ich dort gar nicht durchblicke. Es ist einfach so viel auf einmal: Menschen, Themen, Ebenen. Ich bin schon aufgeregt, weil es Brasilien ist – der Amazonas, das hat etwas Mythisches. Gleichzeitig macht mir die Logistik ein bisschen Sorgen: Sprache, Infrastruktur, die Größe des Ganzen. Ich hoffe, dass ich viel lernen kann, besonders, wie internationale Prozesse wirklich funktionieren. Meine Sorge ist, dass es zu überwältigend wird und ich mich verliere zwischen all den Panels und Side Events. Aber ich weiß, dass wir als Team gut vorbereitet sind. Sigrid unterstützt uns da sehr.“

Dieses Jahr findet die COP 30 in Belém statt – mitten im Amazonas. Was bedeutet dieser Ort für euch?

Benedicta: „Ich finde die Idee stark – dorthin zu gehen, wo die Klimakrise real ist. Der Amazonas steht ja für alles, worum es eigentlich geht: Biodiversität, Verantwortung, globale Zusammenhänge. Gleichzeitig wird es logistisch schwierig. Viele NGOs, vor allem aus dem globalen Süden oder indigene Gruppen, können sich die Anreise kaum leisten. Das ist ja fast absurd – gerade dort, wo man über Gerechtigkeit sprechen will.“

Sigrid: „Es ist zumindest nicht in einem autoritären Staat – das ist ein Fortschritt. Aber der Ort allein wird die Verhandlungen nicht verändern. Es ist ein Symbol, kein Wundermittel. Trotzdem kann Symbolik wirken, weil wenn die Welt hinschaut, verändert das vielleicht den Ton.“

Wie wichtig ist euch die Einbindung indigener Perspektiven?

Sigrid: „Sehr wichtig – und gleichzeitig zeigt sich hier, wo das System an seine Grenzen stößt. Indigene Vertreter:innen werden präsenter sein, aber oft nur als Beobachter:innen ohne Mitspracherecht. Das ist strukturell so angelegt.“

Lena: „Wir versuchen, diese Stimmen mitzunehmen – in Gesprächen, in unserer Berichterstattung, aber auch indem wir versuchen wollen, sie mit Entscheidungsträger:innen zusammenbringen. Aber am Ende bleibt es eine Machtfrage: Wer hat Zugang, wer nicht? Genau das muss sich langfristig ändern.“

Wie nehmt ihr Österreichs Rolle in den Verhandlungen wahr?

Sigrid: „Zurückhaltend. Österreich verhandelt als Teil der EU – und die ist derzeit stark mit sich selbst beschäftigt. Vieles wird abgeschwächt, vieles verzögert. Ich glaube, es gibt engagierte Leute in der Delegation, aber als kleines Land ist Österreich in der EU einfach nicht die lauteste Stimme. Die Europäische Union ist insgesamt ein bisschen zerrissen, würde ich sagen – zwischen den Ländern, die ambitionierter sind, und denen, die blockieren. Und dadurch kommt man einfach nicht richtig voran.

Lena: Ich sehe das ähnlich. Die Leute in der Delegation wissen, wovon sie reden – da ist viel Engagement da. Aber es fehlt die politische Rückendeckung von oben. Es gibt gute Ansätze. Österreich könnte sich für ein EU-2040-Ziel von minus 90 Prozent einsetzen, das wäre wissenschaftlich fundiert und ambitioniert. Dafür braucht es aber ein Klimaschutzgesetz als Basis – und das fehlt derzeit komplett.

Wie viel Einfluss kann Jugendbeteiligung bei so einer Konferenz wirklich haben?

Benedicta: „Es ist ein schmaler Grat zwischen Symbolpolitik und echter Beteiligung. Und trotzdem gibt es diese Momente, die zeigen, dass es sich lohnt – wenn man merkt, dass eigene Vorschläge in offiziellen Texten auftauchen oder jemand aus der Delegation auf uns Bezug nimmt. Das fühlt sich großartig an, weil man dann weiß, dass unsere Stimmen nicht nur Beiwerk sind.“

Sigrid: „Manchmal geht es tatsächlich nur um ein einziges Wort. Aber wenn es unser Wort ist, zählt das. Es klingt klein, aber in einem Prozess, der sonst so starr und politisch ist, können Worte Türen öffnen. Ich erinnere mich an eine Nacht in Baku, wo wir mit anderen Jugenddelegationen stundenlang an einer Formulierung gefeilt haben. Und als sie am nächsten Tag in einem offiziellen Text auftauchte, war das ein unglaubliches Gefühl – winzig, aber bedeutsam.“

Die Deutsche Meteorologische Gesellschaft prognostiziert drei Grad Erwärmung bis 2050. Wie geht ihr mit solchen Zahlen um?

Sigrid: „Es ist frustrierend, klar. Es gibt Tage, da fühlt man sich ohnmächtig – als würde man in Zeitlupe gegen etwas anrennen, das immer schneller wird. Aber ich weigere mich, in Depression zu verfallen. Kognitive Dissonanz hilft – also zu wissen, wie schlimm es ist, und trotzdem weiterzumachen. Ich versuche, realistisch zu bleiben, ohne zynisch zu werden. Denn Zynismus lähmt, und das können wir uns nicht leisten.“

Lena: „Ich glaube, es geht am Ende um den Blickwinkel. Wir alle wissen, dass diese Zahlen beängstigend sind, aber wir entscheiden trotzdem jeden Tag, wie wir damit umgehen. Hoffnung ist nichts Naives – sie bedeutet nicht, dass man glaubt, alles wird gut, sondern dass man handelt, obwohl man weiß, wie schwierig es ist. ‚Delusional Joy is a radical act.‘

Wie erlebt ihr eure Rolle als junge Frauen in diesem Umfeld?

Sigrid: „Man muss sich den Raum nehmen. Die Misogynie ist oft subtil, aber sie ist da – in Gesprächen, in Strukturen, in der Art, wie Autorität wahrgenommen wird. Ich hab gelernt, mich nicht kleiner zu machen, nur weil ich jung oder weiblich bin. Wenn man wartet, bis man eingeladen wird zu reden, wird man nie reden.“

Lena: „Wir sind nicht da, weil wir perfekt sind, sondern weil wir sonst niemanden hätten, der unsere Perspektive einbringt. Wir sind da, weil wir wissen, dass Repräsentation zählt. Und weil gegenseitige Unterstützung in solchen Räumen kein Luxus ist, sondern einfach notwendig.“

Was wünscht ihr euch von der COP 30?

Sigrid:
„Dass endlich was passiert. Dass das Ganze nicht wieder zu einer großen Show verkommt. Letztes Jahr hatte ich oft das Gefühl, es geht mehr um Inszenierung als um Inhalt – um schöne Reden, nicht um echte Entscheidungen. Mir ist klar, dass das System langsam ist. Aber ich will zumindest das Gefühl haben, dass die Richtung stimmt.“

Benedicta:
„Dass internationale Zusammenarbeit wieder ernst genommen wird – nicht nur als Schlagwort.. Dass sich die Staaten daran erinnern, warum sie überhaupt an einem Tisch sitzen – weil Klimapolitik ohne Kooperation nicht funktioniert. Und ich wünsche mir, dass das Menschliche nicht verloren geht: dass diese Konferenz Menschen zusammenbringt, statt sie weiter zu trennen.“

Und ganz persönlich: Worauf freut ihr euch am meisten?

Benedicta: „Auf die Menschen. Ich freue mich, Aktivist:innen aus aller Welt zu treffen – vielleicht jemanden aus dem Amazonas, den ich sonst nie kennenlernen würde.“

Sigrid: „Auf Brasilien, aufs Tanzen – und darauf, noch einmal Vollgas zu geben, bevor ich in die Jugenddelegierten-Pension gehe.“

Zum Abschluss: Wenn ihr in eure – rein hypothetische – Kristallkugel blicken würdet: Was wäre euer Wunschsatz, den ihr am Ende der COP 30 sagen möchtet?

Benedicta:
„Dass wir gehört wurden. Wenn ich das Gefühl habe, dass sich etwas verschoben hat, sei es noch so klein, dann war das kein symbolischer Einsatz, sondern echte Beteiligung.“

Sigrid: „Dass wir etwas bewegt haben. Vielleicht nicht alles, vielleicht nicht das große Ganze – aber genug, um zu zeigen, dass Veränderung möglich ist. Ich wünsche mir, dass wir heimkommen und ehrlich sagen können: Es war es wert.“

Lena: „Dass es nicht umsonst war. Nicht nur für uns, sondern für alle, die sich engagieren, oft ohne gesehen zu werden. Ich hoffe, dass wir am Ende sagen können: Wir haben ein Stück Hoffnung verteidigt – und das zählt.“

Wer die österreichischen Jugenddelegierten auf ihrer Reise zur COP 30 begleiten möchte, kann das live mitverfolgen: Über ihre Social-Media-Kanäle teilen sie Eindrücke, Hintergründe und persönliche Momente aus Brasilien – von den Verhandlungen bis zum Austausch mit anderen Delegationen. Aktuelle Updates gibt es über den Newsletter von CliMates Austria per Mail oder auf WhatsApp, oder Telegram und unter anderem auf Instagram @climatesaustria.

Über CliMates Austria

Der Verein CliMates Austria war eine der ersten NGO’s in der Climate Lab Community und  berichtet Jahr für Jahr von den Vorgängen hinter den Kulissen der Klimakonferenzen. Auch dieses Jahr wollen sie wieder ihre Erfahrungen und Learnings mit nach Wien bringen und beim Bring-Back im Climate Lab teilen.

 

Titelbild: Elisabeth Rauter-Ibovnik

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