Produktdesigns können mehr bewirken, als nur gut auszusehen. Je nachdem, wie ein Produkt aufgebaut ist, kann es leicht, aber auch sehr schwer fallen, Komponenten oder Rohstoffe wiederzuverwenden. Es lohnt sich also, diesem Thema einen Deep Dive zu widmen und gemeinsam darüber zu diskutieren.
Design – mehr als Mode
Ein Umdenken in unserem Wirtschaftssystem ist bitter nötig, wie Prof. Wolfgang Wimmer von der TU-Wien eindrücklich aufzeigt. Pro Stunde verbraucht jeder von uns 2 kg Material. Über das Jahr gesehen sind das mehr als 19 Tonnen! Kaum vorstellbar, wie hoch der Hügel wäre, würde man das alles ein ganzes Jahr lang sammeln. Selbst im Vergleich mit anderen EU-Ländern ist das viel, liegen wir doch 30% über dem EU-Schnitt. Anstelle des klassischen linearen muss ein besseres Geschäftsmodell treten, um die knapp werdenden Ressourcen effizienter einzusetzen. Mit cleverem Design können Produktkomponenten leichter wiederverwendet und Rohstoffe einfacher zurückgewonnen werden. Ein gutes Beispiel sind Bürostühle. Ein großer Teil der Rohstoffe und der Kosten steckt im Fuß. Da lohnt es sich doch, das Produkt so zu designen, dass man den Fuß einfach ausbauen und wiederverwenden kann. Das Produktdesign ist der Schlüssel.
Auch die Vienna Design Week, vorgestellt von Gabriel Roland, wird sich heuer mit dem Thema befassen. Unter dem Motto “no more ‘business as usual’” wird sie zwischen 22. September und 1. Oktober mit zahlreichen Veranstaltungen in ganz Wien über die Bühne gehen.
3X3 Schritte zum idealen Produkt
Hilfestellung bei der Entwicklung nachhaltiger Produktdesigns geben die Circular Design Rules des Institutes of Design Research Vienna. Lotte Kristoferitsch von EOOS NEXT gibt einen Überblick über diese Richtlinien, die bei der Suche nach dem nachhaltigen Design helfen. Mit einer einfachen Punktekarte kann man dabei überprüfen, wie weit man auf dem Weg zum zirkulären Produkt schon gekommen ist. In 3 Bereichen gilt es jeweils, 3 Schritte zu gehen: Bei den Materialien, bei den Komponenten und im System.
Materialien: Rohstoffe bewahren
Für Materialien zählt dabei, ob in der Produktion Rezyklat zum Einsatz kommt. Im nächsten Schritt ist es wichtig, dass der Rohstoff am Ende der Lebenszeit auch wieder rezyklierbar ist, damit es zu einem echten Kreislauf und nicht zum “Downcycling” kommt. Der letzte Schritt erfordert, die eingesetzte Materialmenge zu reduzieren. Rohstoffe sind endlich, sie im Kreislauf zu führen ist auf lange Sicht alternativlos. Besser früh damit anfangen und den Anschluss nicht versäumen.
Komponenten: Mehr Lego braucht die Wirtschaft
Betrachtet man die Komponenten, ist zunächst wichtig, dass das Produkt einfach zerlegbar ist. Um es mit den Worten von Prof. Wimmer zu sagen: Das Produkt muss in 5 Minuten zerlegbar sein – und zwar mit Standardwerkzeug! Ist das erreicht, geht es im Schritt 2 darum, das Produkt modular aufzubauen. Das erleichtert Reparaturen, verlängert die Lebensdauer und erlaubt es auch, Teile eines Produktes für andere Produkte wiederzuverwenden. Das spart viel Geld, Ressourcen und Energie. Geht man noch einen Schritt weiter, landet man bei einem offenen Produktdesign, wo sich verschiedenste Einzelteile kombinieren und Produkte sogar upgraden lassen. Ein bisschen wie Lego bauen sozusagen.
System: Service als Geschäftsmodell
Der Kreislauf kann natürlich nur dann funktionieren, wenn auch das Produkt System rundherum passt. Kaputte oder alte Produkte dürfen nicht im Müll landen, sondern müssen zum Hersteller zurückgelangen. Dazu braucht es Anreize und entsprechende Strukturen. Der Hersteller muss dann natürlich auch für die Reparatur oder Wiederverwertung sorgen. Die Zukunft liegt dabei im Service. Moderne Geschäftsmodelle werden weniger darauf abzielen, möglichst viel zu verkaufen, sondern die Kunden während der Nutzungsdauer zu begleiten. Am Ende kommt das Produkt zurück zum Hersteller, der es dann bestmöglich wieder verwertet.
Im Design steckt viel Potential und es gibt wenig, das uns daran hindert, bessere Produkte zu entwerfen. Das schont nicht nur Klima und Umwelt, es freut auch die Kunden und sichert die Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft und damit auch den Wirtschaftsstandort, Arbeitsplätze und unseren Wohlstand. Worauf warten wir noch?
Titelbild: karlyukav on Freepik