Textildialog – Von Faser zu Faser

Im Textildialog des Bundesministeriums für Klimaschutz im Climate Lab ging es um die Frage, wie es gelingen kann, den Textilkreislauf zu schließen.

2020 fielen in Österreich 240.000 Tonnen Textilabfälle an. Daher ist die Etablierung eines Kreislaufs für Textilprodukte auch einer der Schwerpunkte der österreichischen Kreislaufwirtschafts-Strategie. Wie können Kleidungsstücke wiederverwendet und Fasern wiederaufbereitet werden? Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen geschaffen werden? Wie müssen die Textilien der Zukunft aussehen, um den Textilkreislauf zu ermöglichen?

Es waren spannende Fragen, mit denen sich die Teilnehmer:innen des Textildialogs des Bundesministeriums für Klimaschutz bei der hybriden Veranstaltung im Climate Lab befassten. Vertreter:innen aus allen Bereichen der textilen Wertschöpfungskette waren gekommen, um gemeinsam mit Expert:innen aus Wissenschaft und Verwaltung diese Fragen anzugehen. Mit interaktiven Publikumsfragen, Impulsvorträgen, einer Podiumsdiskussion und Debatten in Kleingruppen wurden Positionen, Problemstellungen, Lösungsansätze und Kontaktdaten ausgetauscht.

Andreas Tschulik vom BMK mit dem gewohnt kompetenten Überblick zur geltenden und kommenden Rechtslage.
Daniela Zanini-Freitag stellt das Hintergrunddokument des Umweltbundesamtes vor, das rechtzeitig zum Textildialog fertiggestellt wurde.

Bewegung kommt aus Brüssel

Andreas Tschulik vom Bundesministerium für Klimaschutz gab einen Überblick zur geltenden und kommenden Rechtslage. Und da ist einiges in Bewegung. Die meisten Impulse kommen dabei von der Europäischen Union, die derzeit mit einem ganzen Bündel an Verordnungen und Richtlinien die Voraussetzungen für ein Kreislaufsystem in der Textilindustrie und in anderen Bereichen schafft. Bei der Textilbranche hat man insbesondere Chemikalien, Mikroplastik, Emissionen, den Export von Textilabfällen, grüne Labels und Greenwashing im Blick. Wer hierzu mehr erfahren möchte, für den haben wir ganz unten das Wichtigste zusammengefasst.

Öffentliche Beschaffung als Hebel

Bei den zahlreichen Regelungen und Gesetzesvorhaben ist es nicht einfach, einen Überblick zu behalten. Gut, dass Daniela Zanini-Freitag vom Umweltbundesamt ein frisch fertiggestelltes Hintergrunddokument zum Status Quo in Österreich im Gepäck hatte und gleich auch vorstellte.

Im Zentrum der Bemühungen steht die Erhöhung der Recyclingfähigkeit von Textilien. Derzeit gibt es in Österreich 39 Anlagen. Jedoch werden Textilabfälle dort meist eher “downgecyclet” – das heißt die Qualität der Produkte nimmt immer weiter ab, bis die Stoffe schließlich entsorgt werden müssen. Das soll sich ändern, wofür aber zunächst auch noch der Preis für Recyclingfasern sinken muss. Ein guter Hebel ist die öffentliche Beschaffung von Textilien. Dabei geht es immerhin um ein jährliches Volumen von bis zu 560 Mio Euro allein in Österreich. EU-weit sind es sogar 10 Mrd Euro. Durch die hohen Volumen, die gut abschätzbare und einheitliche Qualität ist es deutlich einfacher, einen funktionierenden Kreislauf aufzubauen.

Am Podium von links nach rechts: Stephan Izay (ÖBB), Sonja Zak (Lenzing Gruppe), Mauro Scalia (Euratex), Andreas Tschulik (BMK)
Die Hybrid Stage des Climate Lab war erneut im Einsatz und ermöglichte die Zuschaltung von Online-Gästen und den Livestream.

Erfahrung teilen

Um den Textilkreislauf erfolgreich zu schließen, müssen alle Teile der Wertschöpfungskette miteinander sprechen. Darin waren sich auch die Teilnehmer:innen der anschließenden Podiumsdebatte einig. Auf dem Podium nahmen neben Impulsgeber Andreas Tschulik auch Mauro Scalia (Euratex- Rehub Initiative), Stephan Izay (Beschaffung ÖBB) und Sonja Zak (Lenzing Gruppe) Platz, um über den besten Weg zum Textilkreislauf zu diskutieren und die Fragen des Publikums im Raum sowie online zu beantworten.

In kleineren, Sektor-übergreifenden Gruppen konnten sich im Anschluss alle Teilnehmer:innen austauschen, Kontakte knüpfen und andere Blickwinkel kennenlernen. Als großes Sorgenkind entpuppte sich das Recycling. Selbst dort, wo 100% draufsteht, ist oft nicht 100% drin. Die genauen Inhaltsstoffe zu erkennen, bleibt eine besondere Herausforderung. Offene Fragen bestehen auch mit Blick auf die verpflichtende Sammlung sämtlicher Textilien ab 2025. Knackpunkt ist am Ende wie so oft der Preis. Recycling muss konkurrenzfähig, sprich billiger werden, der Preis für Primärprodukte sollte umgekehrt steigen.

Die Zukunft der Textilindustrie liegt in der Wiederverwendung und Wiederaufbereitung. An Förderungen und Investitionen wird es in diesem Bereich in den nächsten Jahren nicht mangeln. Damit ein möglichst großes Stück vom Kuchen auch nach Österreich kommt bzw. dort bleibt, gilt es, jetzt aktiv zu werden. Mit Forschung, Pilotprojekten und Dialogformaten wie dem Textildialog des BMK können wir viele Förderungen und Investitionen nach Österreich bringen. Worauf warten wir noch?

Der nächste Textildialog findet am 12. Oktober im Climate Lab statt. Save the date!

Du willst noch mehr erfahren? Die Aufzeichnung der Veranstaltung gibt es hier.

Auch interessant:

Hintergrunddokument Umweltbundesamt
Deep Dive zum digitalen Produktpass
Industry Circle zur EU-Taxonomieverordnung

 

—Gesetzliche Impulse für den Textilkreislauf—

Ökodesign-Verordnung

Die Ökodesign-Verordnung der EU wird die derzeit geltende Ökodesign-Richtlinie ablösen. Ziel ist ein ökologisch verträgliches, kreislauffähiges Produktdesign für fast alle Produktgruppen, darunter auch Textilien. Für Textilien können dann unter anderem Ökodesign-Kriterien festgelegt werden. Die Ökodesign-Verordnung sorgt auch für die Bereitstellung von Information über das jeweilige Produkt mithilfe des digitalen Produktpasses. Außerdem ist ein Vernichtungsverbot für Textilien geplant.

Gegen Greenwashing

Mit 2 Richtlinien, der “Empowering consumers for the green transition und der 

Green Claims Directive”, möchte die EU gegen irreführende Aussagen und Greenwashing vorgehen. Bestimmte Begriffe und Aussagen wie “umweltfreundlich”, die kaum zu verifizieren sind, sollen in Zukunft verboten werden. Andere Angaben werden wiederum klaren Regeln unterworfen. Insbesondere die Green Claims Directive soll hier mit klaren Vorgaben und Regulierungen zu Umweltaussagen Transparenz und Klarheit für die Kund:innen schaffen, z.B. die Regulierung von “grünen” Labels.

Für mehr Sorgfalt und Kreislauf

Die Sorgfaltspflicht der Textilindustrie für die gesamte Produktionskette wird durch das EU-Lieferkettengesetz erhöht. Die EU-Taxonomieverordnung wiederum regelt, welche Investitionen als nachhaltig gelten und hat damit erheblichen Einfluss auf die Finanzströme unseres Wirtschaftssystems. Die “European Sustainability Reporting Standard”  legen Standards unter anderem für die Kreislaufwirtschaft fest. Und schließlich wird bis 2025 auch die getrennte Sammlung von Textilabfällen Pflicht.

Titelbild: Freepik

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