„Take, Make, Use, Waste“ war lange Zeit das Motto und das vorherrschende Modell in der Bauwirtschaft. Rohstoffe werden aus der Natur entnommen, Produkte hergestellt und nach oft zu kurzer Nutzung wieder als Abfall entsorgt. Nicht zuletzt deshalb steigen in der ressourcenintensiven Bauwirtschaft Umweltbelastungen schnell in immense Höhen. Rund die Hälfte aller global geförderten Rohstoffe werden der Bauwirtschaft zugeführt. Rund 37% der globalen Treibhausgas-Emissionen lassen sich ebenfalls auf diese als Verursacher zurückführen.
Fenster tragen viel zur Energieeffizienz von Gebäuden bei, sind durch ihre Herstellung aber auch mit einem hohen Energieverbrauch verbunden. Ein Standard-Kunststofffenster emittiert während der Herstellung etwa 260 Kg CO2-Äquivalente, während es bei Fenstern mit Spezialverglasungen bis zu 1 Tonne CO2-Äquivalente werden können. Das hat unter anderem mit den extrem hohen Prozesstemperaturen der Flachglasproduktion zu tun. Zudem werden durch veränderte Anforderungen Fenster im Durchschnitt nach spätestens 30 Jahren ausgetauscht, wodurch weitere große Mengen an verbrauchten Ressourcen, grauer Energie und Treibhausgas-Emissionen dazu kommen. Eine naheliegende Lösung wäre die Wiederverwendung von Fenstern oder Fensterteilen.
Wirtschaftlichkeit als logistische Herausforderung
Aktuell ist die Wiederverwendung von Fenstern meist mit höheren Kosten und Aufwand verbunden als der Einsatz von Neuware. Hohe Ansprüche für den schadensfreien Rückbau der Bauteile erhöhen den Zeitaufwand und Personalbedarf. Zudem muss die Rückbaufähigkeit der Fenster überhaupt erst gegeben sein. Durch verklebte Bauteile und Materialverbunde ist eine zerstörungsfreie Demontage oft nur erschwert, nur durch spezialisiertes Personal oder gar nicht möglich.
Ist das Bauelement erfolgreich ausgebaut, stehen weitere Fragen im Raum. Für ein demontiertes Bauteil ist genauso wie für ein neues eine bauaufsichtliche Zulassung erforderlich. Kompliziert wird es zudem durch mögliche Schadstoffbelastungen im Bestand sowie sich verändernde und verschärfte Anforderungen an die Bauelemente. Somit sind zusätzliche Schadstoffprüfungen nötig und die strengeren Richtwerte erhöhen ebenfalls den Ressourceneinsatz, da viele Fenster eine Ertüchtigung vor der Wiederverwendung benötigen. Bereits ertüchtigte Fenster könnten zudem nicht mehr den aktuellen Normen entsprechen. Ältere Fenster vor 1990 weisen häufig eine schlechtere Isolierverglasung auf und erreichen damit keine modernen energetischen Standards mehr.
Auch die Logistik und der gesamte Ablauf von Demontage bis hin zur Wiederverwendung müssen neu gedacht werden. Die klassischen Logistikstrukturen in der Bauindustrie sind nicht auf die Wiederverwendung ausgerichtet. Es braucht daher eine intensive Koordination zwischen den involvierten Akteuren von den Abbruchunternehmen über die Transporteure bis zu den Käufer:innen. Die Zeitfenster für den Rückbau der Bauteile sind kurz, bevor der Abriss erfolgt. Bis zu einem erneuten Einsatz der Bauteile müssen diese in Zwischenlagerung genommen werden. Durch die benötigten Lagerkapazitäten für unbestimmte Zeiträume entstehen weitere Kosten.
Digitalisierung als Gamechanger
Für eine schnelle Weiternutzung ist eine gute Informationstransparenz nötig. Planer brauchen Zugang zu den Daten über den Zustand, die technischen Eigenschaften wie U-Werte und den Standort der verfügbaren Altfenster. Durch standardisierte Dokumentation und vereinfachte Vermittlung können Planungsaufwand und Kosten gesenkt werden. Die Daten könnten dabei durch QR-Codes oder RFID-Chips direkt mit den jeweiligen Fenstern verknüpft werden.
Auf dieser Grundlage können dann sogenannte Harvest Maps erstellt werden. Diese digitalen Vermittlungsplattformen können die Logistik und das zeitliche Matching optimieren, indem sie Informationen über die geographische Lage der verfügbaren Materialien, Auskünfte über den technischen Zustand und entsprechende Kontakte zu den Dienstleistern bündeln. Mögliche Re-Use Materialien können so bereits vor der Demontage auf dem Markt angekündigt und im besten Fall bereits für den nächsten Einsatz eingeplant werden.
Rethink – Ökodesign macht’s leichter
Bei der Herstellung neuer Fenster könnte das Prinzip „Design for Disassembly“ von Anfang an bedacht werden. Materialien und Komponenten sollen künftig möglichst effizient und schadensfrei zurückgebaut werden können. Statt Verklebungen und einem hohen Einsatz von Verbundmaterialien könnte auf lösbare Verbindungen, beispielsweise durch Schraub- oder Klickverbindungen, gesetzt werden.
Dem Geschäftsmodell „Product as a Service” (PaaS) wird ebenfalls großes Potenzial zugeschrieben. Hierbei nimmt der Kunde ein Produkt – in diesem Fall Fenster – als Dienstleistung in Anspruch, anstatt es selbst zu kaufen. Der Hersteller bleibt Eigentümer des Produkts und ist für die Langlebigkeit, gegebenenfalls durch Aufbereitungen oder Ertüchtigung, verantwortlich. So kann die Lebens- und Nutzungsdauer der Fenster optimal verlängert werden. Beispiele hierfür sind Vermietungsfirmen für Blockbetonsteine oder Innenausbausysteme (Doppelböden, Trennwände, Decken) mit den Optionen des Kaufes inklusive einer Rückgabevereinbarung nach einigen Jahren oder mehrjähriger Mietverträge ohne Eigentümerwechsel.
Knackpunkt Ökobilanz
Für konkrete Berechnungen der Ökobilanz sind viele Faktoren zu beachten. Auch wenn die Isolierleistung von Re-Use Fenstern altersbedingt teilweise niedriger ausfallen, wird dies durch die längere Nutzungsdauer kompensiert. Aufgrund der gebundenen grauen Energie kann ein wiederverwendetes Fenster für einen langen Zeitraum ökologisch sinnvoller sein, als die Herstellung eines neuen Fensters. Auch eine zerstörungsfreie Fenstertrennung in einzelne Bestandteile ist möglich, um beispielsweise nur das Isolierglas wiederzuverwenden oder die Materialien getrennt zu einer neuen Fenster- oder Isolierglasherstellung zu recyceln.
Foto: Stephanie Don