Bauschutt-Aufbereitung – Geht da noch mehr?

‏‏‎ ‎|‏‏‎ ‎Markus Palzer-Khomenko

Die KRAISBAU-Partner Wopfinger Transportbeton und Verfahrenstechniker von der TU Wien wollen eines der letzten Probleme bei der Wiederverwertung von Bauschutt lösen.

Abfälle im Bausektor hochwertig zu verwerten, ist ein wichtiger Schlüssel zur echten Kreislaufwirtschaft. Doch gerade bei Bauschutt, der aus vielen verschiedenen Materialien besteht, ist das eine Herausforderung. Eine Lösung ist die nassmechanische Aufbereitung, wie sie etwa beim KRAISBAU-Konsortialpartner Wopfinger Transportbeton Ges.m.b.H. eingesetzt wird. Damit lassen sich Störstoffe effizient entfernen und hochwertige, normgerechte Recycling-Gesteinskörnung erzeugen.

Jedoch: Zufrieden ist man damit noch nicht. An der Faculty of Technical Chemistry der TU Wien – einem weiteren unserer Konsortialpartner – forschen neugierige Verfahrenstechniker:innen an weiteren Verbesserungen. Dabei steht insbesondere ein lästiger Bestandteil des Bauschutts im Fokus, den man bisher nicht abtrennen konnte: Der Ziegelsplitt. Wir haben mit Dominik Blasenbauer von der TU Wien gesprochen und ihn gefragt, warum das relevant ist und wie sie das Problem lösen wollen.

Fangen wir mal ganz von vorne an. Ein Gebäude wird abgerissen und jetzt haben wir da einen Haufen Bauschutt. Was ist da so alles drin?
Im typischen Bauschutt sind Beton, Ziegel, Steine, Fliesen, Keramiken, aber auch viele Verunreinigungen wie Erdreste, Stahl, Holz, Kunststoffe, Gipskartonplatten oder Reste davon.

Vieles davon kann – zum Beispiel bei Wopfinger – schon abgetrennt werden. Was genau und was passiert dann damit?
Zunächst mal werden die groben Verunreinigungen wie Gipskartonplatten, große Holz- Kunststoff- und Metallteile abgetrennt. Dann wird das Material gebrochen und mit Magneten Stahl rausgeholt. In der nachfolgenden nassmechanischen Aufbereitung werden feine Anteile wie zum Beispiel Erden, aber auch Feinfraktionen, die durch das Brechen entstehen, abgetrennt. Des Weiteren werden im nassmechanischen Prozess die ganzen schwimmenden Verunreinigungen wie Holz und Kunststoffe rausgeholt. Wopfinger ist hier wirklich verfahrenstechnisch einer der Vorreiter. Dort schafft man es, aus relativ verdrecktem Material einen genormten hochwertigen Baustoff zu erzeugen.

Was passiert dann weiter mit den verschiedenen Fraktionen? Landen Anteile davon auch auf der Deponie?
Nein, deponiert wird nichts. Alle Outputs des Prozesses gehen in die eine oder andere Verwertung. Der Großteil geht in die Betonerzeugung als Gesteinskörnung, der zweitgrößte Teil geht ins Zementwerk als Sekundärrohstoff, und die anderen Outputs gehen in die Metallindustrie als Recyclingmaterial, werden im Zementwerk als Brennstoff verwertet oder gehen in die Abfallverbrennung. Die Hauptfragestellung ist tatsächlich die Ziegelabtrennung. Ansonsten ist der Prozess schon ziemlich ausgereift.

Das klingt fantastisch. Kannst du sagen, wie viel Prozent des Bauschutts in Österreich bereits so behandelt werden?
Eine genaue Zahl kann ich nicht nennen. Das ist aber auch eine der Fragestellungen im KRAISBAU Projekt. Aber ich kann sagen, dass es nur sehr wenige Anlagen gibt, die einen solchen Aufbereitungsprozess haben. Aus diesem Grund werden noch relativ große Mengen des anfallenden Bauschutts deponiert.

Warum ist jetzt der Ziegelsplitt so ein Problem?
Ziegelsplitt trägt weniger zur Festigkeit bei als die anderen Anteile. Beton, der in seiner Körnung viel Ziegelsplitt enthält, hat dadurch eine niedrigere Festigkeitsklasse. Deshalb gibt es sogar  einen Grenzwert für den Ziegelanteil in rezyklierter Gesteinskörnung. Ein weiteres Problem ist, dass Ziegel mehr Wasser aufnimmt und dadurch der Wasserbedarf beim Betonmischen zunimmt. In der Folge brauche ich auch etwas mehr Zement, was dann auch mehr CO2 bedeutet. Auch ästhetisch ist der Splitt oftmals eher unerwünscht.

Im Beton ist der Ziegelsplitt unerwünscht, aber ist er irgendwo auch erwünscht?
Als Dachbegrünung und als sogenannte Kultursubstrate ist Ziegelsplitt durchaus gefragt. Aufgrund seiner porösen Struktur kann er wie gesagt Wasser speichern – beim Beton ein Problem, aber im Dachgarten durchaus erwünscht.

Eine weitere Anwendung sind Tennisplätze. Für Österreich kenne ich keine Zahlen, aber in Deutschland gibt es ca. 40.000 Tennisplätze und pro Platz braucht man 2-3 Tonnen. Da kommt auch eine gewisse Nachfrage zusammen.

Geforscht wird zur Zeit auch, ob sich der Ziegelsplitt als Klinker in der Zementindustrie eignet. Eine andere Idee ist der sogenannte „Kaltziegel“. Da wird Ziegel zerkleinert und verpresst. Angeblich erfüllt so ein Ziegel dann die Anforderungen für tragende Innenwände.

Und hat natürlich eine sehr viel bessere Energie- und CO2 Bilanz als gebrannte Ziegel?
Genau

Gut, die Abtrennung des Ziegelsplitts scheint damit mehr als sinnvoll. Aber wie stellen wir das jetzt genau an? Da kommt jetzt ihr ins Spiel, oder?
Genau. Gemeinsam mit Binder+Co AG haben wir es in deren Technikum in Gleisdorf geschafft, den Ziegelsplitt aus der Recycling-Gesteinskörnung automatisiert abzutrennen – mit sensorbasierter “State-of-the-Art” Sortiertechnik wie sie bereits in zahlreichen Industrien standardmäßig eingesetzt wird.

Wie geht das genau?
Der Ziegel wird aufgrund seiner rot-braunen Farbe von einem optischen Sensorsystem auf einem Förderband erkannt und automatisiert mittels Druckluft aus dem Stoffstrom ausgeschleust. Und dieses Ausschleusen geht schnell – sehr schnell! Damit man das sehen kann, haben wir mal ein Video gemacht und es stark verlangsamt.

Den Machbarkeitsnachweis für die Abtrennung habt ihr also erbracht. Wie geht es jetzt weiter?
Der nächste Schritt ist jetzt mal die Auswertung des Versuchs. Wir planen – gemeinsam mit Wopfinger – betontechnische Untersuchungen mit Betonprobekörpern aus originaler- und “ziegelentfrachteter” Recycling-Gesteinskörnung.

Angenommen, das klappt alles, wie geht es dann weiter? Können wir direkt loslegen und hochskalieren?
Es gibt natürlich schon noch die eine oder andere Hürde. Zum Beispiel beim Einsatz als Kultursubstrat – da darf man derzeit nur sortenreinen Ziegel verwenden. Da ist die Frage, ob „unser“ abgetrennter Ziegelsplitt dafür geeignet wäre. Aber auch dazu haben wir im KRAISBAU Projekt mit dem Partner GRÜNSTATTGRAU Expertise zu diesem Thema. Wir wollen uns mit ihnen die Eignung als Substrat ansehen.

Danke für das spannende Gespräch und halte uns bitte auf dem Laufenden!
Sehr gerne – und Danke auch an Georg Schinnerl, Georg Weingrill, Raith Heinz,  das Technikums-Team der Firma Binder+Co und an Patrick Fachathaler von Wopfinger Transportbeton für die Unterstützung!

Dominik Blasenbauer ist ein neugieriger Verfahrenstechniker an der TU Wien. Er beschäftigt sich als Post-Doc in Forschung und Lehre mit Aufbereitungs- und Recyclingtechnik verschiedener Abfallfraktionen.

Titelbild: Dominik Blasenbauer, TU Wien

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