Ein Schatz unter Wien – Wärmenutzung aus Grundwasser

‏‏‎ ‎|‏‏‎ ‎Gloria Faltl

Im Zuge von Bauprojekten werden in Wien regelmäßig temporäre Brunnenanlagen zur Grundwasserfreihaltung errichtet. Diese könnten weiter genutzt werden und mittels Wasser-Wasser-Wärmepumpe Raumwärme - oder Kühle bereitstellen. Bisher werden diese Brunnenanlagen zum größten Teil wieder rückgebaut oder verfüllt.

Vor dem Hintergrund der Dekarbonisierung der Wärmeversorgung hat ein Multi-Stakeholder-Projekt des Climate Lab und Wien Energie untersucht, wie das Grundwasser verstärkt zur nachhaltigen Beheizung und Kühlung von Gebäuden eingesetzt werden könnte. Der Fokus lag dabei auf einer realistischen Einschätzung der Umsetzbarkeit – technisch, organisatorisch, rechtlich und wirtschaftlich.

Die Recherche konzentrierte sich schnell auf die Bezirke 2, 20, 21 und 22, in denen besonders günstige Bedingungen vorliegen. Aus einer umfassenden Datenanalyse mithilfe des Wasserinformationssystem Wien (WIS) wurden bestehende Brunnenanlagen identifiziert.

Herausforderungen und Hürden

Erfahrungswerte unterschiedlicher Stakeholder zeigen, dass eine wirtschaftlich sinnvolle und umweltrechtlich genehmigungsfähige Nutzung dieser Anlagen grundsätzlich machbar ist. Gleichzeitig wird deutlich: Ein möglicher Betrieb setzt eine ausgeglichene Bilanz zwischen Heiz- und Kühlbetrieb voraus. Bereits eine Temperaturveränderung von 1 °C kann zu einer wasserrechtlich relevanten Beeinträchtigung führen. Da sich das Grundwasser tendenziell eher erwärmt, ist eine reine Heizanwendung (die dem Grundwasser Wärme entzieht) eher möglich als eine reine Kühlanwendung.

Hintergrund ist, dass sich die Qualität der genutzten, Oberflächen-nahen Grundwasserkörper im Falle einer Erwärmung durch eine Veränderung des Mikrobioms (Verkeimung) verschlechtern könnte. Hierbei darf man sich nicht verwirren lassen: Wird das Wasser zur Kühlung von Gebäuden eingesetzt, wird Wärme in den Untergrund abgeführt und es kommt zur Erwärmung des Grundwassers. Beim Heizen von Gebäuden ist es genau umgekehrt.

Im direkten Austausch mit Eigentümer:innen und Bauverantwortlichen stellte sich heraus, dass in der Regel keine Nachnutzung der temporären Brunnen – sei es aus technischen, wirtschaftlichen oder organisatorischen Gründen erfolgt. Viele geeignete Brunnen wurden bereits rückgebaut oder verfüllt. In manchen Fällen erfolgte aber auch bereits eine Integration in Energieversorgungskonzepte, etwa in Kombination mit Fernwärme.

Unsere Analyse zeigt: Die Nachnutzung bestehender Brunnenanlagen bietet in Einzelfällen ein realistisches Potenzial. Viel wichtiger aber ist die frühzeitige Integration in die Planungs- und Bauphase von Projekten, damit Infrastruktur und Nutzung aufeinander abgestimmt sind. Ein nachträglicher Einbau ist oft nicht mehr möglich – der Platz für Technikflächen ist zu knapp.

Roadmap zur Wärmenutzung

Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse konnte das Projektteam Schritte identifizieren, mit denen das Potenzial zur Nutzung von Wärme aus Brunnenbohrungen besser genutzt werden kann. Einige dieser Schritte befinden sich bereits in Umsetzung oder wurden durch die Wien Energie bereits implementiert:

  • Wien Energie prüft Grundwasserlösungen frühzeitig im Rahmen der Energieberatung & Projektentwicklung.
  • Standardisierte Kriterien und Prozesse wie etwa Checklisten für Bauträger oder Tools für Planungsbüros unterstützen bei der Projektbewertung.
  • Wien Energie berücksichtigt die Potenziale in frühen Projektphasen auch im Vertrieb
  • Ein großes Potenzial gibt es bei Brunnenanlagen in Neubauprojekten, z.B. bei größeren Wohnquartieren.
  • Es gibt noch weiteres Potenzial zur systematischen Grundwassernutzung für die Wärmebereitstellung. Derzeit ist ein Folgeprojekt in Zusammenarbeit mit Geosphere Austria und weiteren Partnern in Planung.

Wärme aus dem Untergrund – mit System nutzbar

Grundwasser ist in Wien eine potenzielle, erneuerbare Wärmequelle. Die Nachnutzung von Wärme aus Brunnen braucht aber ein gezieltes Zusammenspiel von Planung, Technik, Wasserrecht und Vertrieb.

Die größten Hebel liegen in der Systematisierung und frühen Integration. Nur so lässt sich aus einzelnen Erfolgsfällen ein relevanter Beitrag zur urbanen Wärmewende machen.

Autor:in: Gloria Faltl & Impact Redaktion
Titelbild: @jeswin / Freepik
Veröffentlicht am 2025-08-04

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