Indigene Bevölkerungen leben seit Jahrtausenden im Einklang mit der Natur. Heute bewahren und bewirtschaften sie rund 40 % der verbliebenen Naturflächen der Erde. Ihr Wissen und ihre traditionellen Praktiken sind unverzichtbar im Kampf gegen die Klimakrise. Gleichzeitig gehören sie zu den am stärksten vom Klimawandel bedrohten Gruppen und finden in politischen Debatten wenig Gehör – ein Umstand, der bei der diesjährigen COP30 besonders in den Fokus rückt.
Die UN-Klimakonferenz (COP30) wird diesen November erstmals in Belém, Brasilien, ausgerichtet. Die Hauptstadt des Bundesstaates Pará gilt als das Tor zum Amazonas. Vom 10. bis 21. November kommen Delegierte aus aller Welt zusammen, um über globale Klimaschutzmaßnahmen zu verhandeln. Für indigene Gemeinschaften bietet diese Konferenz damit eine wichtige Chance, ihre Stimmen zu stärken und internationale Aufmerksamkeit auf den Schutz des Regenwaldes zu lenken.
Eine indigene Gruppe, die sich fest vorgenommen hat, sich auf der COP30 Gehör zu verschaffen, ist der Yawanawá-Stamm. Der Stamm ist im brasilianischen Bundesstaat Acre angesiedelt und zählt etwa 1.200 Menschen, die auf rund 187.000 Hektar leben. Etwa 95 % der Biodiversität auf dem Gebiet des Yawanawá-Stammes sind nach wie vor intakt. Trotz ihrer Bedeutung stoßen indigene Gemeinschaften auf Hürden, wenn sie an internationalen Veranstaltungen teilnehmen wollen. Um die erneute Teilnahme des Stammesältesten Pai Nani – nach 2028 in Dubai – und seiner Kindern an der COP30 zu ermöglichen, organisieren die Yawanawá deshalb ein Fundraising. Im Vorfeld der COP30 ist er gemeinsam mit seinen Söhnen nun auch nach Österreich gereist und hat in Wien an der Podiumsdiskussion mit den NGO’s AYNI ALLIANCE, Anatta Sensorium, CliMates Austria und dem Magazin Südwind teilgenommen. Moderiert wurde das Event im Climate Lab durch Elena Beringer von der BOKU.
Im Fokus der Veranstaltung stand vor allen Dingen das Zuhören, um indigene Sichtweisen und Anliegen kennenzulernen und Welten, die oft weit auseinander liegen, zusammenzubringen. Unterstützt durch den Übersetzer Juri Hädelsson betonte Pai Nani, wie wichtig es sei, respektvoll mit der Umwelt umzugehen:
„Wir sind nicht die Besitzer von Land. Wir haben das Recht, auf dem Land zu leben.“
Zugleich äußerte er Kritik an westlichen Entwicklungsprojekten, die ohne Verständnis für indigene Kulturen und deren Traditionen umgesetzt würden. Zwar flösse Geld von Regierungen und internationalen Organisationen, doch dies unterstütze nicht zwingend die Nachhaltigkeit. Viele Projekte blieben auf dem Papier, ohne in der Praxis Menschen zu erreichen, erklärte er.
Von seinen Vorfahren möchte Pai Nani eine wichtige Botschaft weitergeben: „Die Welt muss wissen, wie es ist, mit wenigen Dingen zu leben.“ Er appelliert, dass Fördermittel Projekten zugutekommen sollten, die Traditionen und kulturelles Erbe bewahren. Die Gefahr sei real, dass sein Stamm der nächste sein könnte, der bald nur noch in Museen existiert. Eine zentrale Rolle spielt für Pai Nani gerade die Jugend: „Die meisten Probleme in allen Gesellschaften entstehen durch fehlende Bildung für junge Menschen. Wenn du einen guten Lehrer hast, wirst du ein guter Schüler sein.“
Ebenfalls zur Paneldiskussion geladen war Angelika Derfler von Südwind, die auf die begrenzten Partizipationsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft hinwies. Sie stellte auch fest, dass COP zwar für ‚Conference of the Parties‘ steht, aber es eigentlich vielmehr eine ‚Conference of the People‘ sein sollte. Sie meint:
“In einer idealen Welt wäre die COP ein Ort, an dem das Klima gerettet würde.“
Besonders problematisch sei die sehr limitierte Anzahl an Ausweisen für die Zivilgesellschaft. Um dennoch Druck auf die offiziellen Verhandlungen auszuüben, findet parallel der People’s Summit (Cúpula dos Povos) statt, bei dem zivilgesellschaftliche Gruppen zusammenkommen.
Ela Rose von AYNI ALLIANCE ermutigt das Publikum, selbst in den Regenwald zu kommen und zu erleben, “was es bedeutet, in Kontakt mit dem Herz von Mutter Erde zu sein.” Sie arbeitet seit 2019 mit indigenen Gemeinschaften und hat die Yawanawá bereits zu der COP28 nach Dubai begleitet. Auch die österreichische Jugenddelegation sucht die Zusammenarbeit mit den Yawanawá, wie Theresa Öllinger betonte: „Junge Menschen teilen Forderungen mit der indigenen Bevölkerung. Sie teilen eine Vision von Klimagerechtigkeit.“
Abgerundet wurde die Veranstaltung mit traditioneller Musik des Yawanawá-Stamms. Pai Nani äußerte seine Dankbarkeit für die Stille und Aufmerksamkeit der Zuhörenden. Ob er auch in Belém auf offene Ohren treffen wird, bleibt abzuwarten.