Wusstest du, dass in den Niederlanden rund 25 % aller Produkte wiederverwendet werden – in Österreich sind es hingegen nur etwa 10 %? Dabei liegt genau hier eine große Chance: Denn mit dem Ausbau von Re-Use, Upcycling und Reparatur entstehen nicht nur ökologische Vorteile, sondern auch neue Jobs für eine grüne, sozial gerechte Zukunft.
Genau hier setzt das Climate Lab im Auftrag des waff – des Wiener Arbeitnehmer:Innen Förderungsfonds – und in Kooperation mit arbeit plus Wien an: Gemeinsam haben wir u. a. drei Weiterbildungskonzepte für sogenannte Kreislaufwirtschaftsjobs zusammengestellt. Ziel ist es, Menschen mit geringeren Einstiegschancen neue berufliche Perspektiven zu geben – und gleichzeitig das enorme Potential der Kreislaufwirtschaft in Bereichen wie Bau,Textilien und Elektronik zu nutzen.
Drei Branchen, drei Chancen
Rückbau & Bauwirtschaft: der „Social Urban Miner“
Im Bauwesen liegt viel ungenutztes Potenzial – vor allem im Rückbau und der Wiederverwertung von Materialien. Während der Neubau immer stärker unter Druck steht, boomen Sanierung und Umbau. Mit der Ausbildung zum „Social Urban Miner“ – das Konzept wurde von Baukarusell und der Kümmerei eingebracht – sollen Menschen ohne formale Ausbildung oder mit geringen Sprachkenntnissen für den Rückbau von Gebäuden und Sanierungsvorbereitungen qualifiziert werden – ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft und der Bauwende.
In den Niederlanden macht das zum Beispiel das Projekt Buurman Rotterdam vor: Ein Re-Use-Baumarkt, der nicht nur gebrauchte Materialien – insbesondere Holz – anbietet, sondern auch Workshops zur Selbstreparatur organisiert. Auch in Österreich gibt es Vorreiter wie BauKarussell, das wiederverwertbare Baustellenmaterialien aufbereitet und verkauft.
Im Rahmen des Projekts wurde das Ausbildungskonzept für “Rückbau- und Sanierungs-Vorbereitung” entwickelt. In einer 3-5 Monate dauernden Ausbildung könnten die Teilnehmer:innen Beschäftigung bei Bau- und Abbruchunternehmen finden und in Rückbau und Sanierungs-Vorbereitung Erfahrungen sammeln und lernen.
Textilien: Altes neu sortieren
Insgesamt stiegen die Produktionsmengen der Textilindustrie in den letzten 20 Jahren rasant an und damit auch die Mengen an textilem Abfall. In Österreich wird der Großteil der textilen Abfälle energetisch verwertet. Im Textilienbereich liegt daher auch noch ein großes Potential, auch was die Wiederverwertung von Fasern betrifft. Zudem steigt schon seit einigen Jahren das Interesse an Second-Hand und individueller Mode – besonders bei jungen Menschen.
Im Rahmen des Projektes wurde das Ausbildungskonzept für “Textil-Sortierung” geschaffen. Es könnte Teilnehmer:innen in einer kurzen und sehr praxisorientierten Ausbildung nicht nur schnelles und hochwertiges Sortieren lehren, sondern auch Grundlagenwissen zu Kreislaufwirtschaft, Mode und Materialien vermitteln. Ziel wäre es, diese Menschen danach rasch in Jobs einzugliedern.
Elektrogeräte: Reparieren statt wegwerfen
Alleine in Wien werden jedes Jahr rund 8.000 Tonnen Elektroschrott über die MA 48 entsorgt. Das bedeutet etwa 3.100 t Eisen, 200 t Aluminium und 300 t Kupfer, die bei nicht fachgerechter Entsorgung für die Weiternutzung verloren gehen. Jede Verlängerung der Nutzungsdauer eines Geräts durch Reparatur bzw. Refurbishment bedeutet also nicht nur weniger Ressourcenverschwendung, sondern auch das Entstehen und die Sicherung von Arbeitsplätzen vor Ort, da die Herstellung von Neugeräten meist nicht in Österreich bzw. Europa stattfindet.
Ein Paradebeispiel, das sich mit Re-Use, Reparatur und Recycling in Österreich beschäftigt, ist das DRZ – Demontage und Recycling-Zentrum in Wien. Es handelt sich dabei um einen sozialwirtschaftlichen Betrieb der Wiener Volkshochschulen. Im Rahmen eines von AMS geförderten Projektes erhalten arbeitssuchende Personen einen befristeten Vertrag und die Chance, wieder in ein geregeltes Arbeitsumfeld einzusteigen.
Nicht nur in ähnlichen Initiativen könnten neue Jobs entstehen, sondern auch in der Erstdiagnose von Geräten in Reparaturbetrieben oder sogar im Gebäudemanagement – etwa durch qualifizierte Haustechniker:innen mit Reparaturwissen. Plattformen wie refurbed oder willhaben zeigen, dass die Nachfrage nach gebrauchten Geräten stetig steigt.
Im Rahmen des Projektes wurde auch hier ein Ausbildungskonzept geschaffen – “Basiswissen Elektro-Reparatur“. Ziel dieses Konzeptes ist es, Menschen in 3-5 Monaten Grundkenntnisse zum Thema Reparatur von Elektrogeräten näherzubringen. Fokus soll dabei auf Produktgruppen wie Weißwaren, Kaffeemaschinen, Kommunikations- und Unterhaltungselektronik gesetzt werden.
Kreislaufwirtschaftsjobs als soziale Chance
Die ausgearbeiteten Ausbildungskonzepte wollen mittels neuer Kompetenzen und Qualifikationen insbesondere solche Zielgruppen unterstützen, die es auf dem Arbeitsmarkt eher schwer haben. Profitieren könnten dabei:
- Menschen, die für längere Ausbildungen nicht infrage kommen
- unter-25-Jährige am Beginn ihrer Berufslaufbahn und
- Personen zwischen 25 und 45 mit Flucht- oder Migrationshintergrund, geringen Deutschkenntnissen oder nicht anerkannten Abschlüssen
Über die in den Konzepten vorgeschlagenen Qualifizierungsmaßnahmen – vom Sprachkurs bis zur Praxis-Ausbildung – könnten diese Menschen fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden, gleichzeitig aber auch zur nachhaltigen Transformation beitragen.
EU gibt den Rahmen vor: Ökodesign Verordnung & Recht auf Reparatur
Die Richtung ist auch auf europäischer Ebene klar vorgegeben:
- Die 2024 in Kraft getretene Ökodesign-Verordnung bezieht neben dem Energieverbrauch erstmals auch Aspekte wie Reparierbarkeit, Verfügbarkeit von Ersatzteilen und Lebensdauer in die Produktgestaltung mit ein. Sie soll dafür sorgen, dass nachhaltige Produkte Standard werden – mit Auswirkungen auf Industrie, Handel und Konsum.
- Ergänzt wird die Verordnung durch die EU-Richtlinie zum Recht auf Reparatur, die im Mai 2024 beschlossen wurde. Sie verpflichtet die Mitgliedsstaaten, innerhalb von zwei Jahren nationale Gesetze zur Förderung der Reparatur umzusetzen. Ziel ist es, Produkte länger nutzbar zu machen – was nicht nur Ressourcen schont, sondern auch Arbeitsplätze vor Ort schafft.
Kreislaufwirtschaft ist mehr als Recycling
Kreislaufwirtschaft ist kein Nischenthema mehr – sie ist ein echter Gamechanger für Umwelt und Arbeitsmarkt. Mit gezielter Förderung von Re-Use, Upcycling und Reparatur entstehen nicht nur neue Jobs und Berufsbilder, sondern vor allem auch neue Anforderungen an bestehende Ausbildungen – und neue Perspektiven für Menschen, die am regulären Arbeitsmarkt schwer Fuß fassen. Was früher „normal“ war – ein Loch in der Hose beim Schneider flicken oder das alte Radio reparieren – kann heute wieder zum „New Normal“ werden. Damit das gelingt, braucht es gute Ideen, starke Partnerschaften und mutige politische Rahmenbedingungen.
Autorin: Jacqueline Riecker & Impact Redaktion
Bild: Markus Palzer-Khomenko