Sie sind unsichtbar, geruchlos und überall um uns: Kältemittel. Sie halten unsere Gebäude kühl, sichern Lebensmittel und treiben Wärmepumpen an – und gehören zugleich zu den stärksten Klimatreibern unserer Zeit. Dieser Umstand zeigte sich 2023 auch in der Klimabilanz des Climate Lab, wo Kühlung noch vor Heizung Platz eins auf der Liste unserer Emissionsposten einnahm. Grund genug, sich das Thema einmal nächer anzusehen.
Bei Kältemitteln handelt es sich aktuell häufig um sogenannte F-Gase, die bis zu tausendmal klimaschädlicher als CO₂ wirken. Gelangen sie in die Atmosphäre, wirken ihre Folgen über Jahrzehnte nach. Laut der Europäischen Umweltagentur (EEA) machen fluorierte Gase 2022 etwa zwei Prozent der Treibhausgasemissionen der EU aus. In Österreich liegt der Anteil laut Umweltbundesamt bei rund 1,8 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent – das Klimadashboard weist für 2022 einen Anteil von 2,01% aus.
Strenge Regeln – Die neue EU-F-Gas-Verordnung
Um gegenzusteuern, hat die Europäische Union die Regeln deutlich verschärft. Mit der F-Gas-Verordnung (EU) 2024/573, in Kraft seit März 2024, wird der Einsatz fluorierter Gase in mehreren Schritten stark eingeschränkt:
- Das Inverkehrbringen neuer Anlagen mit hohem Treibhauspotenzial (kurz: GWP) wird nach Leistungsklassen gestaffelt verboten.
- Die Gesamtmenge der in der EU verfügbaren F-Gase wird bis 2036 um 95 Prozent reduziert.
- Für Wartung und Service dürfen künftig nur noch recycelte oder aufgearbeitete Kältemittel verwendet werden, sobald Originalstoffe verboten sind.
Kalte Technik, heißes Thema – Die Alternativen zu F-Gasen
Neben den stark regulierten fluorierten Kältemitteln (F-Gasen) stehen heute mehrere klimafreundliche Alternativen zur Verfügung, die technisch ausgereift und langfristig tragfähig sind. Eine zentrale Rolle spielen dabei die sogenannten natürlichen Kältemittel – Stoffe wie Kohlendioxid, Ammoniak oder Propan. Sie kommen auch in der Natur vor und haben ein sehr niedriges oder gar kein GWP.
CO₂ wird zunehmend in gewerblichen Kälteanlagen, Wärmepumpen und auch in Fahrzeugklimaanlagen eingesetzt. Es ist nicht brennbar und kostengünstig, erfordert allerdings hohen Betriebsdruck, was die technische Umsetzung komplexer macht. Ammoniak gilt als eines der energieeffizientesten Kältemittel, ist jedoch aufgrund seiner Toxizität vor allem in industriellen Großanlagen im Einsatz, wo geschlossene Systeme und Sicherheitsstandards einen zuverlässigen Betrieb ermöglichen. Propan wiederum zeichnet sich durch hohe Effizienz und geringe Betriebskosten aus, ist aber brennbar, weshalb es nur mit speziellen Sicherheitskonzepten in kleinen bis mittleren Anlagen eingesetzt wird.
HFOs und Zukunftstechnologien – Auf dem Weg zur chemiefreien Kühlung
In den letzten Jahren wurden neue synthetische Kältemittel mit deutlich geringerem Treibhauspotenzial entwickelt – sogenannte Hydrofluorolefine (HFOs). Sie ähneln in ihren Eigenschaften den gängigen Kältemitteln und eignen sich als Übergangslösung, wo natürliche Alternativen technisch noch nicht umsetzbar sind. Vertreter wie R1234yf oder R1234ze(E) haben zwar ein sehr niedriges GWP, sind jedoch leicht brennbar und enthalten teilweise PFAS-Verbindungen, die künftig ebenfalls eingeschränkt werden könnten.
Langfristig arbeitet die Forschung an Technologien, die ganz ohne chemische Kältemittel auskommen. Dazu zählen magnetokalorische oder thermoelektrische Systeme, die physikalische Effekte statt gasförmiger Stoffe nutzen, sowie Absorptions- und Adsorptionsanlagen, die Wärme statt Strom als Energiequelle verwenden. Diese Verfahren befinden sich zwar noch in der Entwicklung, zeigen aber großes Potenzial, künftig eine emissionsfreie Kälteversorgung zu ermöglichen.
Zwischen Anspruch und Umsetzung
Der Wechsel zu klimafreundlichen Kältemitteln ist schwierig. Neben technischen Herausforderungen gibt es rechtliche, finanzielle und organisatorische Barrieren. So beklagen Betreiber laut RefNat4LIFE, einem EU-gefördertes Projekt zur Förderung klimafreundlicher Kältemittel, etwa starre Sicherheitsnormen. Natürliche Kältemittel wie Propan oder Ammoniak würden als zu riskant eingestuft, obwohl geeignete Systeme existieren – so der Vorwurf. Außerdem fehlt in vielen Dienstleistungsbetrieben und Kleinhändlern Kenntnis und Erfahrung im Umgang mit alternativen Kältemitteln, da Schulungen und Wartungspersonal noch zu selten verfügbar sind. Ein weiterer Hemmschuh sind dem EU-Projekt Go-Geothermal zufolge die höheren Investitionskosten bei neuen Anlagen im Vergleich zu konventionellen Systemen. Das gilt insbesondere dann, wenn keine Förderprogramme greifen.
Was in Madrid, Ghana und Österreich gelingt – Best-Practice aus Europa und der Welt
Trotz der Herausforderungen zeigt sich: Wandel ist machbar. In Madrid wurde etwa in einem Bürogebäude ein Ammoniak-basiertes Kühlsystem mit indirekter Wasserverteilung installiert – ein Konzept, das Effizienz und Nachhaltigkeit vereint.
Auch abseits der EU gibt es Beispiele dafür, wie energieeffiziente Kühlung bereits erfolgreich umgesetzt wird. In der UNEP-Publikation Case Studies in Energy Efficient Cooling Systems werden Projekte aus Europa, Afrika und Asien vorgestellt, die zeigen, wie sich durch kluges Systemdesign, Gebäudemaßnahmen und bessere Wartung erhebliche Emissionen vermeiden lassen. In Österreich nutzt etwa ein Milchverarbeitungsbetrieb eine Hochtemperatur-Wärmepumpe, die täglich rund 3 MWh Wärme einspart und den CO₂-Ausstoß um etwa 600 Kilogramm senkt. In Ghana und Ruanda wiederum sorgen passive Strategien wie natürliche Belüftung, Dachisolierung und reflektierende Oberflächen dafür, dass Innenräume auch ohne energieintensive Klimaanlagen angenehm kühl bleiben. Gleichzeitig sollen Energieeffizienzstandards Altgeräte schrittweise aus dem Markt nehmen.
Auch regelmäßige Wartung senkt Emissionen und Kosten. Im Einzelhandel führen Leckagekontrollen, Schulungen und CO₂-Systeme zu messbaren Verbesserungen. Nachhaltige Kühlung ist längst Alltag, wenn Technik, Planung und Verantwortung zusammenwirken.
Kühlen ja – aber mit System
Kältemittel sind einer der unsichtbaren Hebel der Klimawende. In ihnen entscheidet sich, ob Kühlung zur Belastung oder zum Teil der Lösung wird. Ob in Rechenzentren, Supermärkten oder Stadtquartieren – jede Anlage hinterlässt eine Spur im Klima. Aber Werkzeuge für Veränderung sind da, die es nun gilt einzusetzen.
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