Spielplatz bis Lärmschutzwand: 2nd Life für Rotorblätter

‏‏‎ ‎|‏‏‎ ‎Simone Harga

Windkraftanlagen sind vom Sockel bis zur Turbine fast vollständig kreislauffähig. Einzig für die riesigen Rotorblätter schien es bisher schwierig, passende Repurpose-Anwendungen zu finden. Ein Projekt des Climate Lab mit Wien Energie hat nach Lösungen gesucht - und sie gefunden.

Windkraft spielt eine zentrale Rolle in der Stromversorgung Österreichs und ist aus der Energiewende nicht wegzudenken. Mit 1.451 betriebenen Windkraftanlagen im ganzen Land können rund 2,65 Millionen Haushalte mit grünem Strom versorgt werden. Im gesamten Jahr 2024 deckte Windkraft erstmals mehr als 16 % des österreichischen Strombedarfs.​ (Stand April 2025).

Die durchschnittliche Lebensdauer einer Windkraftanlage beträgt etwa 20 bis 25 Jahre. Nach Ablauf dieser Zeit werden die Anlagen entweder durch neue, leistungsstärkere und damit auch ökologisch effizientere Modelle ersetzt, ersatzlos abgebaut oder in einigen Fällen auch an Zweitnutzer:innen an anderen Standorten weiterverkauft. Auch wenn ReUse für manche Anlagen oder Anlagenteile ein sinnvoller Weg ist, die Lebensdauer auszudehnen, über kurz oder lang stellt sich die Frage, wie Teile und Materialien weiterverwendet werden können – schließlich hat Windkraft den Anspruch, Teil unserer nachhaltigen Zukunft zu sein. Moderne Anlagen bestehen hauptsächlich aus Stahl, Beton und Verbundwerkstoffen. Für bis zu 90% der Materialien gibt es geeignete Möglichkeiten der Wieder- oder Weiterverwertung. Einzig die gewaltigen Rotorblätter aus faserverstärkten Kunststoffen stellen bisher noch eine größere Herausforderung dar.

Rotorblätter bestehen – neben einem kleinen Anteil an Balsaholz – vor allem aus einem langlebigen und stabilen Verbundwerkstoff aus Kunstharzen wie Epoxid- oder Polyesterharz sowie Glas- oder Carbonfasern. Diese Zusammensetzung erschwert die Trennung der Materialien und macht eine wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Weiterverwertung des Materials bislang sehr schwer. Umso wichtiger ist es, Möglichkeiten für Repurpose-Anwendungen zu finden, um Primärressourcen einzusparen und Abfallmengen weiter zu reduzieren.

Multi-Stakeholder-Projekt mit Wien Energie

Gemeinsam mit Wien Energie haben wir uns daher auf die Suche nach kreislauffähigen End-of-Life-Konzepten für Rotorblätter  begeben. Im Austausch mit weiteren Stakeholdern haben wir Anforderungen beleuchtet, Repurposing-Potenziale analysiert und aus über 30 Lösungen die vielversprechendsten Anwendungen identifiziert. Es zeigt sich, dass es für Rotorblätter vielfältige, teils auch ungewöhnliche und kreative Anwendungsmöglichkeiten gibt. Die Palette reicht von PV-Überdachungen, Masten aller Art, Outdoor-Möbeln bis hin zum Hochwasserschutz. Der Vorteil liegt dabei auf der Hand: Der Repurpose-Einsatz der Hightech-Verbundstoffe kann Material, Emissionen und Energie einsparen.

2nd Life als Schallschutzwände

Nach ersten Bewertungen stellen Schallschutzwände aus Rotorblättern eine der hoch bewertete Repurpose-Anwendungen dar. Aufgrund ihrer Korrosionsbeständigkeit, Länge und Stabilität könnten die Rotorblätter gut dazu taugen, Lärm entlang Autobahnen oder Bahnstrecken effizient abzuschirmen und dabei zugleich ein starkes Zeichen für Kreislaufwirtschaft und umweltbewusstes Design zu setzen.

In den Niederlanden entsteht derzeit ein Pilotprojekt von Blade Made (Blade–Made – Urban furniture from decommissioned windmill blades) für den Einsatz von Rotorblättern als Schallschutz. Die Blätter ruhen auf einem Hang und werden von weitaus weniger Pfählen gestützt als bei einer herkömmlichen Lärmschutzwand nötig wären, was ebenfalls zur weiteren Reduzierung des Primärrohstoffverbrauchs beiträgt.

Kreative Ideen für ein zweites Leben

Tatsächlich eignen sich ausgediente Rotorblätter – sofern die Statik der ausgedienten Rotorblätter erhalten und validiert werden kann – aufgrund ihrer interessanten Materialeigenschaften auch als Stützen für PV Anlagen Carports, als Flächen für organische Solarpanels, Parkhausfassaden, Hochwasserschutz und Bauteile von Großbauten wie etwa Stadien, Dächer oder Freiluftbühnen. In den Niederlanden wurden sogar ganze Kinderspielplätze, Überdachungen für eine Bushaltestelle und in Nordirland eine Brücke aus den Teilen der Rotorblätter gebaut. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Ebenfalls denkbar, aber leider statisch sehr herausfordernd ist die Weiterverwendung als Stützen und Masten – insbesondere als Mobilfunkmasten.

Noch stehen dem zweiten Leben für Rotorblätter die höheren Kosten und ein niedriger technologischer Reifegrad im Weg. Um konkrete Projekte in die Umsetzung zu bekommen, müssen technische Parameter gemeinsam mit Partnern getestet und validiert werden. Dazu zählen Strukturanalysen, Statikberechnungen, Bestimmung der Biegesteifigkeit und viele weitere Parameter.

Quellen:
IG-Windkraft
– Windfakten.at
– Recycling von Windkraftanlagen

 

Autor:in: Simone Harga & Impact Redaktion
Titelbild: Maciej Boryna
Veröffentlicht am 2025-07-28

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