And-less Verpackung sparen

Wir sprachen mit Victoria Berger, Gründerin des Start-ups and-less. And-less gestaltet Mehrwegverpackungen und Mehrwegsysteme für Systemgastronomen und Caterer in Österreich.

Mehrwegverpackung für die Gastronomie – Wie kann man sich das vorstellen?
Das funktioniert ähnlich wie das Prinzip bei Glasflaschen, indem wir Dinge verwenden, die wieder zurückgegeben, aufbereitet und gereinigt werden. Die Herausforderung bei Lebensmitteln ist natürlich eine andere.

Inwiefern ist die Herausforderung anders?
Die Furcht vor hygienischen Problemen ist halt größer als bei Getränken. Je nachdem, was für Bakterien dabei entstehen können. Da kommt es wirklich darauf an, dass man die geeigneten Reinigungsmaschinen vor Ort hat. Das ist also auch eine infrastrukturelle Challenge.

Ist die Furcht bei Speisen zu Recht größer als bei Getränken oder ist es eher die subjektive Wahrnehmung der Konsument:innen?
Da Speisen eine andere Konsistenz haben als Getränke, können sie mehr am Behältnis haften. Wir leben aber in einer hochtechnologisierten Welt. Dass es da nicht möglich ist, diese Speisereste hygienisch sicher zu entfernen, daran glaube ich nicht. Ich weiß auch, dass es funktioniert. In der Gastro selber, wenn ich vor Ort esse, hinterfragt ja auch keiner, ob diese Porzellanschale eigentlich hygienisch gereinigt wurde.

Dieses Element Take away ist ja auch neu in unserer Gesellschaft. Das war nur nie mit Porzellan, sondern in Einwegverpackungen. Deswegen assoziieren wir jetzt Einwegverpackung mit etwas, was hygienisch ist. Das hinterfragt einfach keiner. Im Gegensatz dazu wird aber Mehrweg hinterfragt.

Arbeitet ihr in dieser Frage mit der Wissenschaft zusammen?
Das muss jeder Produzent machen. Kunststoffprodukte sind in der EU stark reguliert. Da wird zum Beispiel ein sehr langer Test mit verschiedenen Speisen gemacht, um zu schauen, ob da irgendwelche Dinge in das Essen migrieren. Dann gibt es größere Studien, die jetzt zum Beispiel am Fraunhofer Institut bezüglich der Nachhaltigkeit gemacht wurden. Beim Einwegprodukt versuche ich, so dünnwandig wie möglich zu sein, weil dann ist es ja eigentlich umweltfreundlicher. Bei Mehrwegprodukten ist es genau andersrum. Wir müssen ein dickwandiges Produkt herstellen, was im ersten Schritt natürlich mehr Ressourcen verbraucht als ein Einwegprodukt. Neue Studien zeigen, dass Kunststoffprodukte, die fünfeinhalb mal genutzt werden, besser sind als Einweg.

Wie viele Nutzungsrunden erwartet ihr?
Unser PBT Kunststoff kann bis zu 500 Nutzungen aushalten. Deswegen haben wir ihn auch ausgesucht. Die Frage ist halt immer auch: Was ist die Akzeptanz bei der Wiederverwendung, wenn zum Beispiel Kratzer entstehen?

Was wurde bei diesem Ökobilanz-Vergleich alles berücksichtigt?
Die Fraunhofer Studie hat auch die Reinigungskosten berücksichtigt – Wasserverbrauch, Energie, Transport, Rückführung. Beim Einweg wurde natürlich auch mitkalkuliert, wie viel letzten Endes in der Landschaft landet. Wenn ich Mehrweg sechs Mal nutze, dann ist die Bilanz besser.

Dieser Kunststoff, den ihr verwendet, ist besonders langlebig. Da denkt man schnell an die Problematik Mikroplastik und Ewigkeitschemikalien. Habt ihr das auf dem Radar?
Mikroplastik entsteht ja durch Abreibungen. Das ist eigentlich mehr ein Faktor bei Textilien, weil Mikroplastik sich in der Waschmaschine löst. Um Mikroplastik bei uns zu erzeugen, muss man wirklich diesen Behälter zerstören. Durch die Reinigung alleine wird kein Mikroplastik entstehen.

Wir haben auch noch eine zweite Studie gemacht, inwiefern zum Beispiel auch Temperatureinwirkung sich auswirkt. Das PBT hält ja bis zu 140 Grad aus. Das bedeutet, es ist siegelfähig. Man kann das Produkt folieren und man kann Lebensmittel darin sogar haltbar verpacken. Andere Materialien würden diese Temperatur nicht aushalten und würden dabei beschädigt werden. Unsere Produkte können mehrfach versiegelt werden. So schaffen wir ein Produkt, das also im Take Away Bereich für Frischspeisen und im Convenience Bereich verwendet werden kann. Das Design ist ja so gemacht, möglichst wenig im Umlauf zu haben, damit das System einfach ist und ich nicht viele Produktpaletten habe.

Das heißt, wenn ich jetzt im Spar zum Beispiel eine Leberkässemmel esse, dann habt ihr eine wiederverwendbare Lösung dafür?
Genau! Man kann das Leberkäsesemmel in die Mehrwegschale hineingeben und wenn nötig auch luftdicht mit einer Folie verschweißen. Die Folie muss man wegschmeißen, die Schale gibt man zurück. Das wird tatsächlich sehr viel Verpackungsmaterial einsparen.

Sind für die Folie auch schon biologisch abbaubare Stoffe in Überlegung?
Ja, tatsächlich gibt es auch schon welche.

Was passiert am Ende? Ist euer Kunststoff recyclingfähig oder muss man das dann verbrennen?
Man kann unser Produkt sowohl chemisch als auch mechanisch recyceln. Beim mechanischen Recycling muss man sagen, dass es jetzt zurzeit noch schwierig ist, die Zertifizierungen zu kriegen, weil das quasi als unrein gesehen wird. Deswegen gehen wir den Weg des chemischen Recyclings. Das bedeutet, die Kunststoffketten wieder komplett zu zerstören und ein Cradle to Cradle Verfahren zu kreieren. Wir können aus unseren Produkten so wieder neue Produkte kreieren und müssen nicht upcyceln.

Wenn man jetzt auf so ein Mehrwegsystem umstellt,  was können wir da für die Umwelt und in puncto Emissionen rausholen?
330.000 Tonnen pro Jahr fallen in Österreich nur an Take Away Verpackungenan. Sag wir, ich bin ein Systemgastronom. Ich habe circa 2000 Speisen am Tag, die ich in Mehrweg verpacken würde. Wenn ich das ein ganzes Jahr lang mache, würde ich 55 Tonnen CO2 einsparen.

Was braucht es, damit sich Mehrweg noch besser durchsetzt?
Es braucht einen gesetzlichen Rahmen. Für uns ist es sehr wichtig, wirklich die Masse zu erreichen um das ganze Potenzial auszuschöpfen. Wir brauchen diese politischen Rahmenbedingungen wie eine Mehrwegangebotspflicht in Österreich. Oder wir besteuern Einweg.

Immerhin – bis 2027 muss auch Österreich die Mehrwegangebotspflicht umsetzen. Alle Restaurantinhaber mit über 89 Quadratmeter müssen Mehrweg beim Take away aktiv den Konsumenten anbieten.

Wir sind alle auf Einweg sozialisiert. Da ist die Gewohnheit der mächtigste Gegner. Wie geht ihr damit um?
Das ist ein super wichtiges Thema. Mehrweg gab es ja schon. Also es ist jetzt nicht was komplett Neues. Es ist halt einfach in Vergessenheit geraten. Ich glaube aber schon, dass schon viel passiert ist. 2/3 der Konsumentinnen kaufen ja auch schon nachhaltig ein oder sagen, es ist für sie relevant. Das Bewusstsein ist an sich da. Ich glaube, wichtig ist auch, dass Mehrweg nicht ein Schritt mehr, sondern nur ein Schritt anders sein sollte. Ich sollte deshalb keinen Schritt mehr machen.

Damit sind wir bei der Bequemlichkeit angekommen. Ich nehme also jetzt diese Mehrwegverpackung vom Supermarkt mit nach Hause und konsumiere das dann. Was mache ich dann mit dem Mehrweg? Wie geht es da weiter?
Was mache ich mit Einweg? Ich gehe zur nächsten Mülltonne und schmeiß es weg. Anstatt das in die Mülltonne zu geben, gibst du das in die Sammelstation. Die Sammelstation wird vom Caterer, der wieder Essen ausliefert, geleert. Es kann also auch weiterhin bequem sein.

Wir haben unser Produkt so gestaltet, dass es der internationalen Gastronorm folgt. Diese Form ist viereckig und kann sich effizient sowohl in Küchenausstattungen bishin zu Transportanlieferung integrieren. Man kann sich das vorstellen wie Lego. Das heißt, ich kann auch meine Kosten in der Infrastruktur reduzieren, indem ich alle Automaten, die ich schon habe, verwenden kann.

Euer Produkt ist so konzipiert, dass bereits existierende Automaten diese Produkte annehmen können?
Genau. Viele Automatenhersteller folgen einer Norm. Wir haben unser ganzes System einer bestehenden Infrastruktur angepasst.

Von welchen Automaten sprechen wir da?
Bei den Rückgabeautomaten im Supermarkt gibt es für Flaschen diese runde Aussparungen und es gibt unten noch eine für Bierkisten. Die Kiste an sich passt wieder zu dieser Norm, die wir kreiert haben. Je nach Produkt passen sechs oder vier Produkte in diese Kiste rein.

Ist das schon in der Praxis?
Aktuell liegt unser Fokus auf der Gastronomie und Großverpflegung. Dank unseres attraktiven Abomodells profitieren Kund:innen bereits nach nur drei Anwendungen davon, dass Mehrweg günstiger ist als Einweg. So ermöglichen wir nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvolles Handeln. Wir sind aber dabei, über die Gastronomie in den Convenience Sektor reinzugehen. Der Handel ist sogar noch ein bisschen schwieriger zu bewegen als die Gastro. Die Gastronomie kann es schneller annehmen, weil die auch vor Ort eine Reinigungsmaschine haben. Das hat der Handel nicht.

Wie funktioniert die Rückgabe derzeit?
Wir haben zum Beispiel einen Caterer, der ausliefert. Das heißt, er hat die Produkte vor Ort, packt das in Mehrweg ein, dann wird das ausgeliefert. Bei der nächsten Abholung nimmt er das ganze Geschirr wieder mit.

Bei einem offenen Kreislauf, kann ich das auch zum nächsten Restaurant, das teilnimmt, bringen.

Aber ich muss mich aktiv darüber informieren und muss das aktiv zurückbringen?
Das ist alles in der Lieferdienst App. Aber das funktioniert auch gut, weil ich die Bequemlichkeit habe zu sagen, bei der nächsten Bestellung gebe ich es dem Boten wieder retour oder ich nehme es halt mit.

Wie gut wird das angenommen?
Sehr gut. Wir haben extra eine Phase gemacht und gesehen, dass es funktioniert. Die Leute machen eigentlich jetzt schon mit. Also, sie bewegen sich aktiv raus und bringen es retour. Sie wünschen sich aber auch sehr stark, dass man das auch wieder dem Boten zurückgeben kann.

Wie viele Unternehmen bzw. Teilnehmer habt ihr schon in eurem System?
Wir arbeiten mit relevanten Großverpflegern, Caterern und Gastronomen aus Wien, Graz und Linz zusammen. Für einen großen Pool fehlt es aber noch an weiteren Stakeholdern. Wirklich relevant wäre es, wenn der Handel mit reingeht. Dann kann ich die ländliche Fläche auch gut bedienen. Wir reden auch viel mit der Politik. Wir bringen große Firmen zusammen und skizzieren gemeinsam einen Plan, wie man hier zusammenarbeiten kann, um das wirklich realistisch umzusetzen.

Wie bist du überhaupt auf diese Idee oder zu dieser Idee gekommen?
Ich war ein halbes Jahr in Südkorea. In Südkorea ist man gefühlt ungefähr 20 Jahre in der Zukunft. Ich hab da ganz spannende Dinge erlebt, aber auch sehr beunruhigende Dinge gesehen, zum Beispiel wohin und die Konsumgesellschaft führt – auch mit Einweg. Ich wurde seltsam angeschaut, weil ich die einzige war, die ein Sackerl mit hatte. Es gibt super viele Lieferdienste und extrem viel Müll überall. Ich habe mir gedacht: Wow, das ist die Zukunft? Als ich 2019 wieder zurückgekommen bin, war dann Corona und damit wurde auch hier viel mehr bestellt. Die Menschen hier denken sich ja, dass wir ein super tolles Recyclingsystem haben. Die Wahrheit ist, dass Recycling unsere Probleme nicht lösen wird. Das ist dieser Knackpunkt, ich möchte einfach was verhindern.

Dann hast du dir gesagt, du gründest jetzt dieses Start-up und beschäftigst dich mit dem Thema?
Ich hab überlegt, wie ich als Designerin eigentlich einen Einfluss nehmen kann? Wir können als Designer einen relevanten Einfluss drauf nehmen, indem wir Produkte so gestalten, dass sie für das Mehrwegsystem geeignet sind. Dann habe ich mich bei einer Förderung von AWS beworben. Das ist damals eine Forschungsprojektförderung gewesen. Wir hatten zwölf verschiedene Gastronomiebetriebe in ganz Österreich, mit denen ich schrittweise diesen Prototypen entwickelt habe. Erst dann habe ich es tatsächlich offiziell als GmbH gegründet, 2022 im März.

Wie hilft dir das Climate Lab und die Community?
Wir haben tatsächlich auch schon mit Mitgliedern Überschneidungen, auch was Kunden betrifft. Ich finde, das ist einfach der perfekte Ort, weil jeder hier an der gleichen Mission Towards Zero arbeitet.

Was sind die nächsten Milestones und was wäre die Vision für 2030?
Wir wollen auf jeden Fall unsere Produkte erweitern. Wir arbeiten gerade an einem Produkt für Gemeinschaftsverpflegung. Produktentwicklung ist immer ein Bestandteil von uns. Der nächste Schritt wäre es, österreichweit was aufzubauen. Wir haben schon Anfragen aus der Luftfahrtbranche bekommen. Langfristig sehe ich die Firma einfach Circular Design betreiben, in Zukunft vielleicht auch im Medizinbereich. Es gibt so viele Möglichkeiten.

Über Victoria Berger

Victoria Berger ist Designerin, Gründerin und CEO von and-less.

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