Lieber Gebhard, du wurdest gerade zum Bundesgeschäftsführer der Grünen in Österreich gewählt. Zunächst mal herzliche Gratulation zu diesem großen Schritt und deiner neuen Rolle. Wie geht es dir mit dieser neuen Aufgabe, die jetzt vor dir liegt?
Ich verspüre große Lust auf diese neue Rolle. Ich war in den letzten Jahren immer im politiknahen Bereich aktiv und war dabei immer darauf bedacht, äquidistant und überparteilich zu agieren. Eine politische Partei mitzugestalten stellt mich jetzt vor nochmal ganz neue Herausforderungen. Ich mache diesen Schritt sehr bewusst und nicht zufällig in einer Zeit, wo der Faschismus zurück auf der Weltbühne und demokratische Institutionen unter Druck sind. Die Aussage “Politik ist kein Zuschauersport” von Robert Habeck hat bei dieser Überlegung auch eine Rolle gespielt.
In den vergangenen 3 Jahren hast du persönlich zum Erfolg des Climate Lab beigetragen. Was siehst du als deinen größten Erfolg?
Die Grundprämisse des Climate Labs ist, dass es eine intensivere und schnellere Zusammenarbeit zwischen den Sektoren braucht, um der Klimakrise Herr zu werden. Mir war es deshalb wichtig, ein breites Spektrum an Partnerschaften aufzubauen: von den großen Industrieunternehmen, den Ministerien und Gemeinden bis hin zu Vertreter:innen der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft. Dieses Spektrum bildet sich auch in unserem Beirat ab und trägt ganz wesentlich zum Erfolg des Climate Labs bei.
Und was war der größte Erfolg des Climate Lab insgesamt aus deiner Sicht?
Was die Art und Weise, wie wir arbeiten, am besten illustriert, war die Gründung der österreichischen Matratzenallianz im letzten Jahr. Durch einen Impuls aus dem damaligen Klimaschutzministerium haben wir die gesamte Wertschöpfungskette für Matratzen bei uns im Climate Lab zusammengebracht. Von den Schäumern, über die Matratzenproduzenten, den Handel, die großen Abnehmer bis hin zu den Bauhöfen und potentiellen Recyclern. Sie kannten das Problem – mehr als 1 Mio. Matratzen landen jedes Jahr in der Müllverbrennung, was zu rund 150.000 T. CO2 Emissionen jährlich führt – sahen sich aber jeweils alleine nicht in der Verantwortung, etwas zu ändern. In der Gruppe wurde aber eines schnell klar: Auch in Österreich muss und kann sich etwas ändern – wenn alle zusammenarbeiten. Und so kam es, nach Schweizer Vorbild, zur Gründung der österreichischen Matratzenallianz, die vom Climate Lab begleitet wird. Ziel der Allianz ist es, sowohl den Materialverbrauch als auch die Treibhausgasemissionen, die durch dieses Produkt entstehen, zu reduzieren. Dies geschieht durch oft kleine aber wirkungsvolle Änderungen im Design, der Produktion, dem Handel und auch in der Verwendung und Sammlung der Matratzen. Für mich illustriert diese Kollaboration von vielen Akteuren aus dem öffentlichen und privaten Sektor gut, wofür das Climate Lab steht und wie wir arbeiten.
Das entspricht ja auch unserer Rolle und Aufgabe als österreichisches Zentrum für Kreislaufwirtschaft. Ist Österreich da auf einem guten Weg?
Was die beschlossene Kreislaufwirtschaftsstrategie betrifft, die auch mit konkreten Zielzahlen was den Materialverbrauch pro Kopf betrifft, jedenfalls. Jetzt gilt es, was rund um Matratzen gelungen ist, zügig auch auf andere Branchen und Produktgruppen auszuweiten. Im Climate Lab arbeiten wir bereits an zirkulären Möbeln, Textilien und E-Geräten. Der Bereich mit dem größten Materialeinsatz ist freilich die Bauwirtschaft. Auch dort sind wir mit mehreren Projekten und als Teil des KRAISBAU-Konsortiums daran beteiligt, Materialkreisläufe zu schließen. Größter Bremsklotz ist dabei oft, dass viele verschiedenen Stakeholder koordiniert vorgehen müssen, um echten Fortschritt zu ermöglichen. Dieses Zusammenbringen und einen gemeinsamen Weg finden, das forcieren wir im Climate Lab mit unseren Multi-Stakeholder-Projekten und Veranstaltungen.
Können die Grünen – und auch andere Parteien und Politiker:innen – etwas vom Climate Lab und unserer Community lernen?
Von der Climate Lab Community lässt sich generell lernen, die eigene Energie voll und ganz auf Lösungen zu konzentrieren, denn an Problembeschreibungen herrscht schon lange kein Mangel mehr. Was es jetzt braucht, ist eine zügige Skalierung der vorhandenen Lösungen. Genau das macht das Climate Lab.
Du bist aktuell noch Geschäftsführer des Climate Lab, wirst diese Rolle aber in den kommenden Wochen zurücklegen. Das Climate Lab wurde vor weniger als 3 Jahren eröffnet. Was hast du vorher gemacht?
Ich war in sehr unterschiedlichen Welten aktiv, das macht mich auch zu dem, der ich heute bin. Nach der Schule war ich zwei Jahre in der Entwicklungszusammenarbeit in Lateinamerika tätig, nach dem Studium als Strategieberater international auf Projekteinsatz. Wichtig waren auch meine Erfahrungen als erfolgreich gescheiterter Start-Up Entrepreneur und prägend die Aufbaujahre von Teach For Austria, eine Bildungsinitiative, die sich als Teil eines internationalen Netzwerk für mehr Bildungsgerechtigkeit in Österreich einsetzt. Ich war dort fast 10 Jahre unter anderem als Geschäftsführer aktiv. Dann wurde mir klar, dass es wieder Zeit war für Veränderung. Ich wollte nicht gleich in die nächste Aufgabe “fallen” und so hab ich ein einjähriges learning sabbatical gemacht und mich intensiv damit beschäftigt, mir neues Wissen anzueignen, in meinem Fall vor allem zu Klima- und Energiefragen.
Und das hat dich dann zum Climate Lab geführt?
Es hat sich damals glücklicherweise so ergeben, dass das großartige Konzept, in Österreich ein Innovationszentrum für Klima- und Kreislaufwirtschaftslösungen zu schaffen, jemanden brauchte, der es in die Tat übersetzt. Ich konnte hier meine Fähigkeiten einsetzen und vieles von dem, was ich in meinen vorigen Stationen gelernt hatte, erfolgreich einbringen. Ich bin davon überzeugt, dass es meiner Generation, also den heute 40 bis 60jährigen, zufällt, die Klima- und Energiewende erfolgreich hinzubekommen. Das ist eine große Aufgabe, und ich will meinen kleinen Teil dazu beitragen.
Und jetzt ist das anders? Ist die Krise der Demokratie aus deiner Sicht inzwischen die noch größere und drängendere geworden?
Vieles bedrängt uns derzeit: Wir leben in dem, was Historiker:innen eine “Sattelzeit” nennen. Das Alte ist noch da, das Neue noch nicht ganz, die Menschen fühlen sich durch den schnellen Wandel überfordert und empfinden einen Kontrollverlust. Sehr vieles verändert sich gleichzeitig: Die Treibhausgase verändern das Klima, AI verändert die Arbeitswelt, Putin & Trump verändern die Sicherheitslage. In einem solchen Zustand ist man leichter empfänglich für undemokratische Experimente. Die Politik muss zeigen, dass sie imstande ist, AI zielgerichtet zu regulieren, die Klimakrise einzubremsen und die Sicherheit der Bevölkerung zu garantieren. Das ist eine dringende Aufgabe und ich will hierzu einen Beitrag leisten.
Im Climate Lab fragen wir immer auch nach der Vision für die Zukunft. Wo siehst du die politische Landschaft und natürlich darin auch die Grünen bis 2030?
Wir erleben gerade viele Unsicherheiten und einen politischen Backlash gerade auch im Bereich Klimaschutz in ganz Europa. Dabei gibt es sehr viele Menschen, die wissen: Klimaschutz, Energie- und Mobilitätswende widersprechen einem unabhängigen, stabilen Standort nicht – sie bedingen ihn sogar. Ich will mitwirken, dass die Menschen, die für eine gute Zukunft eintreten, nicht nur gehört sondern auch bestärkt werden und die Grünen als Partner an ihrer Seite wissen. Dafür braucht es ein attraktives, anknüpfungsfähiges und sicheres politisches Angebot und ich freue mich, ab 1. August im Team von Leonore Gewessler daran mitzuarbeiten.
Und das Climate Lab, was können wir aus deiner Sicht in den kommenden 5 Jahren erreichen?
Die im Climate Lab initiierten Projekte werden über die kommenden Jahre immer stärker ihre Wirkung entfalten. Wir glauben, dass sie ab 2030 zu einigen 100.000 Tonnen Einsparungen an Treibhausgasen pro Jahr beitragen und damit einen relevanten Beitrag zu den nationalen Klimazielen für 2040 beitragen werden. Mit der geplanten Erweiterung und Verdoppelung der Fläche bis Ende 2026 wird sich die Wirkung noch weiter vergrößern.
Ich glaub ich spreche im Namen des gesamten Teams und auch der ganzen Impact Hub Vienna Familie inkl. Future Health Lab und Education Lab, wenn ich Dir jetzt noch alles Gute und viel Erfolg für deine neue Aufgabe wünsche.
Vielen Dank, ich habe durch meine Arbeit im Climate Lab sehr viel Neues gelernt und vor allem Einblicke in österreichische Industriepolitik bekommen, die für mich auch in meiner neuen Rolle sehr relevant sind. Ich war sehr gerne Teil dieser bunten und zugleich auf ein großes, gemeinsames Ziel ausgerichteten Community.