Beton, Holz, Ziegel, Lehm – welche Baustoffe eignen sich wozu am besten und wie schaut es aus mit der Ökobilanz? Unser Ergebnisbericht gibt einen Überblick und einen Einblick in die erstaunlichen und unterschätzten Fähigkeiten von Lehm – und wie wir Lehm als Baustoff ein Revival bescheren könnten.
Der vorliegende Bericht ist das Ergebnis des Innovationsprogramm’s “CO2 reduzierte und kreislauffähige Baustoffe”, das wir mit relevanten Stakeholdern aus Industrie, Verwaltung und Wissenschaft im Auftrag des Klimaschutzministeriums zwischen Jänner 2024 bis Dezember 2024 durchgeführt haben.
Das Bauwesen zählt zu den ressourcen- und energieintensivsten Sektoren. Rund die Hälfte aller Stoffströme stehen mit dem Bausektor in Zusammenhang. Die Gewinnung, Produktion und der Transport von Baumaterialien sind mit erheblichen CO2-Emissionen verbunden. Zudem geht die Entsorgung von Bau- und Aushubmaterialien mit großem Aufwand einher.

Lehm ist hier eine interessante Alternative und bietet spannende Kombinationsmöglichkeit. Der Baustoff ist regional verfügbar, ist energieeffizient (und damit auch kostengünstig) in der Herstellung, und kann mit Kreislauffähigkeit punkten. Was fehlt, sind passende Rahmenbedingungen in Form von Normen und Standards.
Lehm befindet sich typischerweise unterhalb der Humusschicht. Das Material entsteht durch Verwitterung und Umlagerung von Gestein unter verschiedenen Umwelteinflüssen. Lehm besteht aus einer Mischung aus Ton, Schluff und Sand und enthält teils auch gröbere Bestandteilen wie Kies und Schotter, wobei die Bindekraft aus dem Tonanteil stammt. Zur Optimierung der Materialeigenschaften werden dem Lehm üblicherweise verschiedene Zuschlagstoffe wie Sand, Kies oder organische Zusätze beigemischt. Diese Zusätze ermöglichen gezielte Verbesserungen: Mineralische oder pflanzliche Einlagen steigern die Festigkeit, reduzieren Rissbildung und regulieren die Feuchtigkeitsaufnahme. Leichte Zuschläge können zudem die Wärmedämmung verbessern. Optimierten Lehmbaustoffe sind mittlerweile in vielfältigen Varianten kommerziell erhältlich.
Lehm bietet eine Reihe von Vorteilen:
Energieeinsparung und Ressourcenschonung
In der Herstellung ist Lehm sehr energieeffizient und braucht im Vergleich zu anderen Baustoffen keine energieaufwendige industrielle Verarbeitung. Zudem ist die Ressource Lehm in großem Ausmaß vorhanden und überall verfügbar. Wenn Lehm direkt aus der Baugrube entnommen und verarbeitet wird, begrenzen die Transportkosten auf etwaige Zuschlagstoffe, wie Sand oder Schotter.
Wiederverwendbarkeit und Vermeidung von Bauschutt
Lehm ist ein vollkommen natürliches Material und kann somit der Natur entnommen und in gleicher Weise (ungebrannt und ohne Zusätze) wieder in die Natur zurückgegeben werden. Er lässt sich leicht zerkleinern und ist durch Zugabe von Wasser unbegrenzt wiederverwendbar.
Gesundes Raumklima und Wärmespeicher
Lehm nimmt Feuchtigkeit schnell auf und kann diese bei Bedarf wieder abgeben. Dadurch entsteht eine ausgeglichene Luftfeuchtigkeit in Räumen, die sich auf die Gesundheit positiv auswirkt und die Feinstaubbildung reduziert. Lehm als relativ schweres Baumaterial kann zudem gut Wärme aufnehmen und speichern.
Temperaturausgleich und Schallisolation
In trockenen Klimazonen mit heißen Tages- und kühlen Nachttemperaturen wirkt sich die temperaturausgleichende Funktion von Lehm positiv aus. Die Wärme, die tagsüber in massiven Lehmmauern gespeichert wird, wird zeitverzögert in der Nacht wieder abgegeben. Damit sorgt Lehm für eine ausgeglichene Temperatur und hält die Räume tagsüber angenehm kühl. Weiters kann Lehm als schweres Baumaterial gut als Schalltrennwand eingesetzt werden.
Für die Anwendung von Lehm gibt es verschiedene Techniken
Lehmziegel und Lehmsteine
Lehmziegel können sowohl manuell mit Wasser aufbereitetem Lehm zu Ziegeln verarbeitet als auch im erdfeuchten Zustand unter Druck in eine Ziegelform gepresst werden. Die „Grünlinge“ besitzen eine hohe Rohdichte und eignen sich vorwiegend für den nichttragenden Innenausbau. Der europäische Markt bietet mittlerweile einige Lehmziegeln an. Ein österreichischer Hersteller ist z.B. das Ziegelwerk Lizzi.
Stampflehm
Stampflehm besteht aus feinkrümeligem, erdfeuchtem, magerem Lehm mit hohem Schotteranteil, der mittels Stampfen verdichtet wird. Stampflehmwände kommen im Innen- und Außenbereich zum Einsatz und können auch als tragende Wände ausgeführt und vor Ort – idealerweise mit dem lokal vorhandenen Material – errichtet werden. Um sich an moderne Bauprozesse anzupassen, können Stampflehmelemente aber auch vorgefertigt werden. Dies hat den Vorteil, dass zeitliche Abläufe genau kontrolliert werden können, witterungsunabhängig produziert werden
kann und industrialisierte Bauprozesse möglich sind.
Wellerlehm
Die Wellermischung wird mit Lehm, Stroh und Wasser angemacht. Sie ist nach dem Trocknen leichter als Stampflehm und kann als tragende Wand ausgeführt werden. Wellerlehm ist in vielen Regionen Afrikas und Asiens verbreitet und beschränkt sich in Europa heute weitgehend auf die Sanierung bestehender Bauwerke.
Lehmputz und Lehmmörtel
Lehmputze und Lehmmörtel bestehen aus Lehmen, die durch Zugabe von Sand bzw. Fasern wie Stroh oder Schilf gemagert werden. Diese Zuschlagsstoffe dienen unter anderen der Vermeidung von Rissbildung. Es gibt jeweils eigene DIN Normen für die werksmäßig hergestellten Baustoffe. Dabei wird Lehmputz als Wand- oder Deckenputz vorwiegend im Innenraum verwendet und es gibt bereits eine große Auswahl an fertigen Lehm-Putzmischungen mit unterschiedlichen Zuschlagsstoffen und Farben. Lehmputze im Innenraum wirken feuchtigkeitsregulierend und tragen somit zu einem positiven Raumklima bei. Lehmmauermörtel ist auch im Fachhandel erhältlich und wird für das Vermauern von Lehmziegelwänden oder auch gebrannten Ziegeln verwendet.
Lehmbauplatten
Lehmbauplatten werden als Trockenbauplatten als Wand- oder Deckenverkleidung verwendet und sind in unterschiedlichen Formaten und Dicken erhältlich. Die Anwendung ist vergleichbar mit Gipskartonplatten. Dabei werden dünne Lehmbauplatten auf einer Unterkonstruktion angebracht und können als eine Alternative zu Lehmputzen verwendet werden. Dadurch können längere Trocknungszeiten vermieden werden. Dickere Lehmbauplatten können auch als selbsttragende Trennwände im Trockenbau eingesetzt werden.
Lehmschüttungen
Lehmschüttungen im Boden (Estrich-Ersatz) sind die direkteste Verwertung von Vor-Ort-Aushubmaterial. Lehmschüttungen sind auch im Handel mit oder ohne Zuschläge (z. B. Hanf für mehr Dämmwirkung) erhältlich.
Wie lässt sich Lehm skalieren
Standardisierung & Normierung
Die Normierung ist ein wichtiger Faktor. Deutschland ist hier bereits einige Schitte voraus. Einen Überblick über deutsche Normen findet man hier. Ein wesentliches Ziel wäre die Entwicklung eines Bauteilkatalogs, ähnlich wie bei Data Holz.
Partnerschaften mit großen Unternehmen
Die wirtschaftliche Anwendung und Industrialisierung von Lehmbaustoffen entwickelt sich nur langsam. Aktuell dominieren kleine Unternehmen den österreichischen Markt, die mit hohen Produktionskosten und begrenztem Kapital kämpfen. Um Zeit und Aufwand zu reduzieren, wäre eine verstärkte Serienproduktion notwendig. Deutschland zeigt, dass das möglich ist: Das Industrieunternehmen Leipfinger Bader setzt bereits auf innovative Lehmprodukte. Die Unterstützung und das Engagement bedeutender Industrieunternehmen könnten den
Durchbruch für Lehmbaustoffe entscheidend beeinflussen.
Lebenszyklusbetrachtung und neue Leistungsbilder
Während der Kostendruck im Wohnbau weiterhin hoch bleibt, gewinnt die Lebenszyklusbetrachtung von Gebäuden an Bedeutung. In neuen Bewertungsmodellen sollen innovative Bewertungskriterien integriert werden, die über traditionelle Kostenbetrachtungen hinausgehen und zum Beispiel die CO2-Bilanz, Raumluftqualität oder Gebäudewertigkeit umfassen.
Vernetzung und Kommunikation
Die Medienarbeit und eine Kommunikationsstrategie gelten als entscheidend, um dem Lehm mehr öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Der Austausch zwischen den Ländern und auch Bundesländern soll intensiviert werden. Eine systematische Lobbyarbeit mit Industriepartnern kann die Akzeptanz und Verbreitung von Lehm
als Baustoff fördern. Ein Best Practice Beispiel dazu ist der neu gegründete Earth Hub in Liechtenstein. Der neue
Earth Hub an der Liechtenstein School of Architecture setzt sich zum Ziel, die Forschung und Praxis im klimafreundlichen Bauen in den nächsten Jahren interdisziplinär voranzutreiben.
Mehr Details und welche Möglichkeiten für die Holzwirtschaft, Beton- und Ziegelindustrie im Zusammenspiel mit Lehm bestehen, findest du im Ergebnisbericht.
Titelbild und Text: Markus Palzer-Khomenko